Queensland. (apa/est) Unendliches Blau bis zum Horizont: Die Ozeane erscheinen vielen als unberührte Weite. Tatsächlich aber können nur noch 13 Prozent der Weltmeere als Wildnis bezeichnet werden. Das ist das Ergebnis einer Studie im Fachmagazin "Current Biology". "Der Mensch läuft mit seinen Aktivitäten Gefahr, auch noch die letzten unberührten Meeresgebiete abzugraben", sagt Studienleiter Kendall Jones, Umweltbiologe an der australischen Universität Queensland. Marine Wildnis finde sich noch in der Arktis und der Antarktis, sowie um abgelegene pazifische Überseegebiete wie Französisch-Polynesien.

Wildnisse sind Gebiete, die vom Menschen komplett oder so gut wie unberührt sind. "Betrachtet man die Nordsee, sehen wir eine Kulturlandschaft: Jeder Quadratmeter wird jedes Jahr mehrmals mit Schleppnetzen befahren", sagt Thomas Brey, Ökologe am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven: "Wildnis ist das Gegenteil: In ihr macht die Natur, was sie will." Während der Rückgang von Wildnissen an Land intensiv untersucht sei, seien entsprechende Untersuchungen für die Ozeane noch nicht gemacht worden.
Für ihre Kartierung der Meere bestimmte das australische Team 19 menschengemachte Stressfaktoren, wie die kommerzielle Schifffahrt, den Einsatz von Düngemitteln und die Fischerei. Die Forscher identifizierten Gebiete, die nur sehr geringem menschlichen Einfluss ausgesetzt waren. Den Faktor Klimawandel klammerten sie zunächst aus mit der Begründung, dass sie sonst keine maritime Wildnis mehr gefunden hätten.
Danach verglichen die Biologen 16 ozeanische Gebiete, um die Auswirkungen von Stressfaktoren zu überprüfen. Hier bezogen sie den Klimawandel wieder mit ein. Im warmen Indopazifik blieben 16 Millionen Quadratkilometer oder 8,6 Prozent maritime Wildnis - im gemäßigten südlichen Afrika nur ein Prozent. "Die Ozeane bedecken 70 Prozent des Planeten. Aber wir haben es geschafft, fast das gesamte Ökosystem zu beeinflussen", betont Jones. Brey, der an der Studie nicht beteiligt war, weist jedoch darauf hin, dass die Datenlage für Regionen unterschiedlich umfassend sei und alle Stressoren gleichwertig behandelt worden seien, obwohl etwa die Bebauung des Meeresgrundes weniger gravierende Folgen habe als Bodenfischerei.