Wien. Eine Krebserkrankung möglichst früh zu erkennen, ist das Ziel unzähliger Wissenschafter. Denn je eher ein Tumor entdeckt werden kann, desto wirksamer kann dieser auch bekämpft werden. Das rettet viele Menschenleben. Aus diesem Grund wird auch zu Vorsorgeuntersuchungen geraten. Regelmäßige Checks von Brust, Prostata, Darm und Haut bestimmen mittlerweile den medizinischen Alltag.
Die Daten sind zum Leidwesen der Betroffenen allerdings nicht beständig aussagekräftig. Immer wieder tauchen falsch-positive Befunde auf. Doch werden augenscheinlich Auffälligkeiten entdeckt, ist der erste Schritt zum Nachweis üblicherweise eine Entnahme von Tumorgewebe. Neueste technische Entwicklungen sorgen allerdings dafür, dass Krebszellen, genauer gesagt ihr Erbgut, heute auch schon im Blut aufgespürt werden können. Liquid Biopsy lautet das Schlüsselwort für diese Verfahren. Mit ihr könnte in ferner Zukunft der Heilige Gral der Krebsforschung tatsächlich gefunden und damit eine effiziente Früherkennung ermöglicht werden.
Wichtige Informationsquelle
Biopsien liefern wichtige Informationen für die Therapie von Krebs. Doch während Gewebeuntersuchungen meistens einen chirurgischen Eingriff erfordern, arbeiten Verfahren der Liquid Biopsy nur mit dem Blut der Patienten. Tagtäglich produziert der menschliche Organismus neue, frische Zellen. Alte Zellen sterben ab und werden über das Blut ausgeschwemmt. Dieser Prozess geschieht auch bei Tumoren. Zellbestandteile und zellfreie DNA zirkulieren in unserem Lebenssaft, lassen sich dort aufspüren und dienen den Medizinern als wichtige Informationsquelle. Genaue Ergebnisse liegen im Idealfall schon binnen weniger Stunden vor.
Beliebig oft wiederholbar
Während eine klassische Gewebebiopsie üblicherweise nur einmal durchgeführt wird, lässt sich die Liquid Biopsy im Gegensatz dazu beliebig oft wiederholen. Diese Möglichkeit eröffnet Chancen. Denn Tumore können im Verlauf der Erkrankung ihr genetisches Profil ändern, wodurch auch die Wirkung von Medikamenten verloren gehen kann, erklärt der Genetiker Wilfried Renner von der Medizinischen Universität Graz im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Mit der herausgefilterten DNA lassen sich neue Therapieentscheidungen treffen.
Die Verfahren, die derzeit schon in der Routine angewendet werden, sind von einer Früherkennung allerdings noch weit entfernt. Sie liefern erst Ergebnisse, wenn der Tumor schon relativ fortgeschritten ist. Zwar schwemmt ein Karzinom schon vom Beginn seines Wachstums an Erbinformation ins Blut, doch sei die Menge so gering, dass "wir das technisch noch nicht erfassen können", schildert der Experte. Damit eine Aussage getroffen werden kann, muss ein Krebsstadium mindestens der Stufe zwei oder gar drei vorliegen. Metastasen, also Tochtergeschwülste, können dann schon vorhanden sein. Ziel sei es, bei immer kleineren Tumoren und in immer früheren Stadien einen Nachweis erbringen zu können. Die derzeitigen Methoden müssen dafür aber noch verfeinert werden.