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Ansteckender Krebs gibt Rätsel auf

Von Alexandra Grass

Wissen
© Tim - stock.adobe.com

Wiener Forscher entdecken Ähnlichkeiten zwischen Tasmanischem Teufel und dem Menschen.


Wien. Für gewöhnlich wachsen Krebszellen nur am Ursprung ihrer Entstehung. Sie wuchern in Geweben oder Organen und breiten sich in der Regel nur in jenem Organismus aus, aus dessen Zellen sie auch entstanden sind. Das gilt im Großen und Ganzen auch beim Menschen. Eine seltene Ausnahme unter den Säugetieren bildet der Tasmanische Teufel, ein Beuteltier, bei dem es regelmäßig zu Fällen übertragbarer Krebserkrankungen kommt - also von Tier zu Tier.

Wiener Wissenschafter haben in ihren jüngsten Forschungen nun, zumindest auf molekularer Ebene, Gemeinsamkeiten mit dem Menschen ausfindig gemacht. Neu entdeckte Schlüsselmechanismen könnten in Zukunft in der Krebsbehandlung beim Menschen von Bedeutung sein, zum besseren Verständnis von bestimmten Signalwegen beitragen und für den Tasmanischen Teufel eine Überlebenschance bedeuten.

Übertragung ohne Viren

Unter den Tieren breitet sich seit gut zwei Jahrzehnten ein tödlicher Gesichtstumor rapide aus. Diesem ist Schätzungen zufolge bisher rund 90 Prozent der Wildpopulation erlegen. Die Tiere stecken sich durch Bisse an, die sie im Kampf einander zufügen. In allen Proben zeigte sich, dass die Zellen genetisch ident sind und daher vermutlich aus einer einzigen Ursprungszelle stammen.

Dass "Krebszellen von einem Individuum auf das andere, ohne das Zutun von Viren (beim Menschen können etwa Papillomaviren Gebärmutterhalskrebs auslösen, Anm.) überspringen, ist merkwürdig", erklärt Studienleiter Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Umso interessanter sei deshalb die gesamte Fragestellung für die Grundlagenforschung. Obwohl das Immunsystem intakt ist, stoßen die Tiere die fremden Tumorzellen nicht ab. Der Forscher und sein Team sind auf bestimmte Signalpfade gestoßen, die die Krebszelle zwingen, sich ständig weiter zu teilen. Dieser Mechanismus aktiviert das Tumorwachstum und blockiert zur gleichen Zeit das Immunsystem. "Da haben wir einen direkten Link gefunden."

Die Forscher haben im Detail herausgefunden, dass bestimmte Rezeptormoleküle auf der Oberfläche der Krebszellen, die sogenannten ErbB-Rezeptoren, eine ungewöhnlich hohe Aktivität aufweisen, berichten sie in der im Fachblatt "Cell" erschienenen Studie. Diese Rezeptoren senden Wachstumssignale an das Zellinnere, die über STAT3 genannte Proteine Einfluss auf das Erbgut der Zelle nehmen.

"Mit unseren Experimenten konnten wir erstmals zeigen, dass die Überaktivierung von ErbB-Rezeptoren und in Folge auch von STAT3 einen erheblichen Beitrag zur Übertragbarkeit dieser Tumore leistet", so Lindsay Kosack, Co-Erstautorin der Studie. Durch eine Blockade des ErbB-Rezeptors mit einem Medikament konnten die Krebszellen gezielt getötet werden. "Dies könnte eine wichtige Rolle spielen, um diesen übertragbaren Tumor zu behandeln, bevor der Tasmanische Teufel vollständig ausgerottet wird", so Kosack.

Im Mausmodell erfolgreich

Dieses gezielte Abtöten der Krebszellen konnten die Wissenschafter bereits im Mausmodell erfolgreich zeigen. Der nächste Schritt sind diesbezügliche Versuche beim Tasmanischen Teufel selbst. "Wir rechnen uns Chancen aus, dass das tatsächlich funktionieren könnte", so Bergthaler.

Die entdeckten Signalpfade gibt es in verschiedenen Formen auch beim Menschen. ErbB1 ist etwa beim Lungenkarzinom von Bedeutung, ErbB2 beim Brustkrebs. "Derzeit versuchen wir, dass wir das auf molekularer Ebene noch besser verstehen können", so Bergthaler. Denn sehr wohl sieht der Forscher spannende Parallelen zum Menschen. Nämlich dort, wo sich Krebszellen von Organ zu Organ weiterbewegen - nämlich in Form von Metastasen innerhalb des Organismus.

"Da sehen wir, dass sehr ähnliche Signalpfade aktiviert sind. Unter Umständen ist das vielleicht noch direkter relevant als der sehr unwahrscheinliche oder zumindest noch nicht bekannte Fall, dass ein Tumor direkt von einem Menschen zum anderen übertragen wird", erklärt der Immunologe. Es ist demnach nicht ausgeschlossen, dass die Erkenntnisse auch noch in der Krebsbehandlung des Menschen eine wichtige Rolle spielen könnten.