Zum Hauptinhalt springen

Morgenkaffee in Not

Von Roland Knauer

Wissen
© adobestock/jenny Sturm

60 Prozent der Wildkaffee-Arten sind gefährdet. Einige könnten wichtig werden, um die Hauptsorten vor Klimawandel-Effekten zu schützen.


Wien. Beim Thema Verlust der Artenvielfalt denkt kaum jemand an seine morgendliche Tasse Kaffee. Der Botaniker Aaron Davis von den Kew Royal Botanical Gardens in der englischen Grafschaft Sussex sieht jedoch Zusammenhänge: Weltweit liefern die beiden Arten Arabica und Robusta fast die gesamte Ernte der begehrten Genussmittel-Bohnen.

Sollte der Klimawandel den Kaffee-Anbau durch häufigere Dürreperioden in Schwierigkeiten bringen oder neue Schädlinge die Ernten massiv dezimieren, könnten Züchter das Problem am besten lösen, indem sie gängige Arten mit widerstandsfähigeren Wildkaffee-Arten kreuzen. Mit weltweit deren 124 hätten sie zwar reichlich Auswahl. Allerdings gelten 60 Prozent davon als gefährdet oder vom Aussterben bedroht, berichten die englischen Forscher. Wie wichtig die Wildkaffee-Arten sein könnten, zeigt ein Rückblick in das Jahr 1868. Damals erreichte die Pilzkrankheit Kaffeerost die Insel Ceylon und vernichtete dort die Plantagen. "Deshalb wurde in Ceylon der Kaffee-Anbau aufgegeben und es wurden stattdessen Teeplantagen angelegt", berichtet Manfred Denich vom Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn. Denich hat in Äthiopien Wildformen des Arabica-Kaffees unter die Lupe genommen.

Kaffeerost

1890 war der Kaffee-Anbau in Ceylon praktisch zusammengebrochen, britische Kolonialherren zogen daher den Tee vor. Heute hat der Kaffeerost aber wichtige Plantagen in Lateinamerika erreicht und richtet dort erhebliche Schäden an. Zwar lässt sich die Pilzinfektion mit Fungiziden oder Kupfer-Präparaten bekämpfen. Jedoch sind solche Mittel für viele der 100 Millionen Kaffee-Anbauer der Welt schlicht zu teuer. Besser wäre es daher, wilde Arabica-Varietäten einzukreuzen, die von Natur aus gegen den Pilz resistent ist. In ähnlichen Fällen bei Weizen oder Mais suchen Züchter resistente Pflanzen in Genbanken, in denen Körner vieler verschiedener Sorten und Standorte kühl und trocken aufbewahrt werden. "Bei Kaffee und Wildkaffee funktioniert das leider nicht, weil die Kaffeebeeren sehr rasch ihre Keimfähigkeit verlieren", erklärt Denich. Genbanken für Kaffee bestehen daher nicht aus Samen, sondern aus Kaffeesträuchern im Freien. Hier gilt es zu verhindern, dass andere Varietäten ihre Nachbarn bestäuben. Feld-Genbanken sind aufwendig und teuer. Gerade tropische Länder stoßen an finanzielle Grenzen. Zwar gibt es mittlerweile die Möglichkeit, Kaffeesamen durch Gefriertrocknen haltbar zu machen, sie ist jedoch bisher nur bei den Hauptsorten untersucht.

Tatsächlich finden Aaron Davis und seine Kollegen in den Genbanken der Welt 68 oder nur 55 Prozent aller 124 Wildkaffee-Arten. Besser wäre es wohl, jene Gebiete zu schützen, in denen Kaffee und die Varietäten der wichtigen Arten Arabica und Robusta noch wild wachsen. Genau das fällt jedoch schwer, da die meisten Arten ausgerechnet dort gedeihen, wo die Bevölkerung wächst, berichten die Forscher. So wachsen auf Madagaskar mit deren 59 fast die Hälfte der bekannten Kaffee-Arten. 43 davon sind jedoch gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht. Eine akute Gefahr stellen das Roden der Wälder, in denen die Wildkaffee-Arten wachsen, und das Sammeln von Feuerholz dar.

Schutzgebiete

Um die koffeinhaltige Artenvielfalt zu erhalten, schlagen Davis und sein Team Schutzgebiete am Beispiel Äthiopiens vor. Dort wachsen in Höhen von 1000 bis 2100 Metern Wildformen des Arabica-Kaffees. Sie sind die Ahnen des wichtigsten Kaffees unserer Zeit, der vor allem mit seinem intensiven Aroma punktet. Inzwischen gibt es drei Biosphärenreservate, in denen der Wildkaffee und seine Varianten geschützt sind. Eines hat Manfred Denich initiiert. "In einem Teil dieses Gebiets bauen die Menschen Arabica-Kaffee an, den sie gut verkaufen können", erklärt er. Gleichzeitig bleibt der Wildkaffee geschützt. Schätzungsweise werden täglich zwei Milliarden Tassen Kaffee getrunken.