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Die Krankheit mit den vielen Gesichtern

Von Alexandra Grass

Wissen
© StockAdobe/peterschreiber.media

Immer häufiger wird Rheuma auch im Kindes- und Jugendalter diagnostiziert.


Wien. Sie ist wohl die Krankheit mit den meisten Gesichtern - und kennt kein Alter. Die Rede ist von Rheuma. 400 verschiedene Erkrankungsbilder fallen unter diesen Oberbegriff - vom Tennisellenbogen bis zur gelenkszerstörenden rheumatoiden Arthritis. Sie verteilen sich vom Kleinkind bis zum Greis auf alle Generationen. Schmerzen in den Gelenken sind dabei federführendes, aber nicht exklusives Symptom. Denn jedes Organ kann von Rheuma betroffen sein - und das sogar, bevor die typischen Beschwerden auftreten.

"Es ist ein Schmerz, der nicht vergeht - und schließlich zermürbt", schildert der Wiener Rheumaspezialist Edmund Cauza vom Herz Jesu Krankenhaus im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Vorwiegend sei die ältere Bevölkerung davon betroffen, nichtsdestotrotz können eigene Krankheitsbilder auch schon im Kindes-, Jugend- und frühen Erwachsenenalter auftreten.

"Juvenile Arthritis"

Immer häufiger werden diese auch diagnostiziert. Rund 1000 österreichische Kinder unter 16 Jahren leiden an einer chronischen rheumatischen Erkrankung. Die sogenannte "Juvenile Arthritis" tritt oft in Verbindung mit einer entzündlichen Augenerkrankung auf, wird aber selten rasch richtig erkannt, was zu bleibenden Deformierungen führen kann.

Kinder haben, frühzeitig diagnostiziert, allerdings den Vorteil, dass unter Therapie ihre schmerzhaften Entzündungsherde manchmal sogar komplett zum Stillstand gebracht werden können, betont Cauza. Ansonsten ist Rheuma praktisch lebensbegleitend. Ob der auf die Wirbelsäule fixierte Morbus Bechterew, die mit der Haut in Verbindung stehende Psoriasis Arthritis oder die vor allem die Gelenke betreffende Rheumatoide Arthritis - "man kann die Krankheit zum Einfrieren bringen, aber nicht heilen", erklärt der Experte.

Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sind mit Rheuma alle mit Schmerzen oder Funktionsverlust einhergehenden Störungen des Bewegungsapparates und der Stützorgane wie Muskeln, Sehnen, Knochen, Gelenke oder Bänder gemeint. Viele dieser Erkrankungen beginnen zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Von einigen Varianten sind Frauen bis zu dreimal häufiger betroffen.

Wichtig sei der frühzeitige Behandlungsbeginn, denn einmal entstandene Schäden an Knochen und Knorpeln sind irreversibel. Schuld an dieser Zerstörung ist der eigene Körper. Das entzündliche Rheuma ist eine Autoimmunerkrankung. Das Abwehrsystem erkennt fälschlicherweise körpereigenes Gewebe als Feind an und beginnt, gegen dieses vorzugehen. Über die vielfältige Symptomatik der Volkskrankheit wissen nur wenige Menschen Bescheid. Das führt häufig zu Verzögerungen in der Diagnosestellung und damit auch zu Verzögerungen bei der Behandlung.

"Rheuma ist eine überschießende Reaktion des Körpers. Ziel ist es, das System herunterzufahren", sagt der Experte. Das therapeutische Arsenal ist heute so weitreichend, dass die Betroffenen individuell und nahezu maßgeschneidert behandelt werden können. "Es gelingt uns heute sehr oft, die Krankheit ‚krankheitsfrei‘ zu bekommen." Vorzeitige Schäden können damit vermieden werden.

Die Gelenkssymptomatik sei allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Patienten mit rheumatoider Arthritis haben ein ähnliches Risikoprofil wie Diabetiker, weiß der Mediziner. Das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen liegt ebenso doppelt so hoch. Denn die entzündlichen Vorgänge im Körper seien der Hauptmediator für Gefäßverkalkung, die sogenannte Arteriosklerose. Die Zusammenarbeit von Rheumatologen und Kardiologen ist mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Denn: "Ein Rheumapatient ist kein Patient, der ein Problem nur mit dem Bewegungsapparat hat, sondern auch ein enormes internistisches Problem."

Grenzen der Früherkennung

Die Früherkennung stößt jedoch an ihre Grenzen, denn gesicherte Parameter gibt es kaum. Ein hoher Rheumafaktor alleine sei nicht aussagekräftig genug, um eine Diagnose voraussehen zu können. Auch genetische Marker seien keine gesicherte Information. Erst beim Auftreten erster Symptome kann der Rheumatologe handeln. Dabei werde aber heute nicht mehr so lange gewartet, bis Schäden in der Bildgebung sichtbar sind. Stark schmerzende Gelenke in Kombination mit erhöhten Entzündungswerten im Blut seien die wesentlichsten Parameter für eine gesicherte Diagnose und damit einen Behandlungsbeginn, so Cauza. Die Lebensqualität steht dabei im Fokus.

Um der Erkrankung vorzubeugen, empfiehlt der Experte eine gesunde Lebensführung mit entsprechender Ernährung und regelmäßiger Bewegung. Studien zufolge erhöht auch Rauchen das Risiko für Rheuma.