Wien. (gral/apa) Höhere Hygienestandards, moderne Impfstoffe, eine bessere medizinische Versorgung und erfolgreiche Therapien von Infektionskrankheiten haben dazu beigetragen, dass die Lebenserwartung seit einigen Jahrzehnten ansteigt. Doch auch das Thema Bildung scheint einen maßgeblichen Einfluss auf diese Entwicklung zu haben - nämlich einen viel deutlicheren als bisher angenommen, berichten nun Forscher des Instituts für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in einer Studie.

Während die Bevölkerung im Allgemeinen von den erwähnten Verbesserungen profitiert, haben Menschen mit höherer Bildung noch zusätzliche Vorteile. Zumeist bekleiden sie risikoärmere und besser bezahlte Berufe. Mehr finanzielle Mittel wiederum ermöglichen ihnen einen besseren Zugang zu medizinischen Leistungen, aber auch den Kauf höherwertiger Lebensmittel, was im Allgemeinen auch einen insgesamt gesünderen Lebensstil zur Folge hat. Mindestens ein Fünftel der gestiegenen Lebenserwartung sei auf die höhere Bildung zurückzuführen, schreibt das Wissenschafterteam um den Demografen Marc Luy im Fachmagazin "Genus - Journal of Population Sciences".

Drei-Länder-Vergleich

Für ihre Untersuchung analysierten die Forscher gemeinsam mit Kollegen der Sophia-Universität in Tokio und der Universität La Sapienza in Rom die Entwicklung der Lebenserwartung in den USA, in Dänemark und in Italien über einen Zeitraum zwischen 1990/91 und 2010/11. Darin einbezogen wurden alle Personen ab 30 Jahren. Man kann davon ausgehen, dass zu diesem Zeitpunkt die Ausbildung auch schon abgeschlossen ist.

Zur besseren Vergleichbarkeit wurden drei Ausbildungsgruppen unterschieden. Zudem wurde dabei der durch die bessere medizinische Versorgung bewirkte Anstieg der Lebenserwartung statistisch isoliert.

Der Anstieg des gesamtgesellschaftlichen Bildungsniveaus, der in allen drei Ländern im Untersuchungszeitraum verzeichnet wurde, hat merklich zur höheren Lebenserwartung beigetragen, heißt es in einer Aussendung der ÖAW. In Italien nahm etwa die Lebenserwartung zwischen 1991 und 2011 durchschnittlich um 5,1 Jahre zu. Rund ein Jahr davon ist dabei auf die verbesserte Bildungsstruktur des Landes zurückzuführen. Auch in Dänemark (plus 4,2 Jahre Lebenserwartung zwischen 1991 und 2011) trugen die höheren Bildungsabschlüsse ein Jahr bei, in den USA (plus 3,8 Jahre Lebenserwartung) war es ein halbes Jahr. Der Rest des Mortalitätsrückgangs ist auf bessere Gesundheitsmaßnahmen zurückzuführen.

"Die Lebenserwartung ist ein äußerst komplexes Maß, das von vielen Faktoren abhängt. Unsere Studie zeigt aber, dass dieses Maß nicht nur die tatsächliche Sterblichkeit der Bevölkerung widerspiegelt, sondern auch die gesamtgesellschaftliche Struktur nach dem Bildungsgrad, der sich seinerseits auf das Sterberisiko jedes einzelnen auswirkt", erklärt Studien-Erstautor Luy.

Teil der Gesundheitspolitik

Dass die Lebenserwartung bei jedem Einzelnen mit jedem Jahr in der Ausbildung graduell ansteigt, sei zwar bereits länger bekannt, betont der Forscher. "Neu und überraschend ist aber die Erkenntnis, dass sich der durchschnittliche Bildungsstand eines Landes, also die Zusammensetzung der Bevölkerung nach Bildungsgruppen, derart stark auf die Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung auswirkt. Somit kann man Bildungspolitik gewissermaßen auch als Teil der Gesundheitspolitik betrachten." Und: Wenn man statt der groben Einteilung in drei Bildungsgruppen diese noch stärker auffächern würde, wäre der Bildungseffekt noch größer, betont Luy.