Wien. Schleichend beginnt der Prozess, der an eine "Gehirnwäsche" erinnert. Er endet bestenfalls nach jahrelangen seelischen Qualen. Unter "Gaslighting" versteht man eine starke Form subtilen Psychoterrors. Der Begriff selbst geht auf jenen emotionalen Missbrauch zurück, den Ingrid Bergman im Film "Das Haus der Lady Alquist" aus den 40er Jahren erleidet. Heimlich manipuliert ihr Mann die Gaszufuhr, täuscht aber vor, das Flackern des Lichtes selbst nicht zu sehen. Ihr Realitäts- und Selbstbewusstsein wird so gezielt deformiert, sie glaubt schließlich, den Verstand zu verlieren. Das Thema ist seit jeher aktuell und die Dunkelziffer der Opfer groß. Da viele nicht wissen, womit sie es zu tun haben, ist therapeutische Hilfe und Aufklärung wichtig. Die Wiener Psychologin Karin Flenreiss-Frankl beschäftigt sich schon länger mit dem Phänomen. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" spricht sie über die Ernsthaftigkeit von "Gaslighting", die Folgen für die Psyche der Opfer und erklärt, wie man entkommt.

"Wiener Zeitung": Die prägnanteste Definition von Gaslighting wäre: "Es ver-rückt dich". Sehen Sie das auch so?
Karin Flenreiss-Frankl: Das ist absolut zutreffend. Schließlich geht es um die Verschiebung zweier Ebenen: der Realität und der Fantasiewelt. Was wir im eigentlichen Sinne unter "Verrückt-Werden" verstehen. Die Person weiß nicht mehr: Ist es wirklich so oder bilde ich es mir nur ein. Schließlich verliert sie komplett den Bezug zur Wirklichkeit.
Der Täter lässt sein Opfer an Dinge glauben, die nicht wahr sind.
Häufig findet "Gaslighting" in Beziehungen statt. Meistens "gaslightet" der Mann die Frau. Es beginnt durchwegs mit Kleinigkeiten: Der Frau wird vorgeworfen, nicht in der Lage zu sein, Termine richtig zu koordinieren, oder aber etwas zu erzählen, das sich in dieser Art und Weise gar nicht ereignet hat. Wiederholt wird ihr eingeredet, dass sie häufig überreagiert, sich im Leben überhaupt etwas komisch anstellt und Dinge verwechselt. Er verdreht also die Wirklichkeit bei Trivialitäten. Anfänglich wundert sich die Betroffene noch und denkt sich: "Ich achte einfach beim nächsten Mal besser darauf." Dadurch bauen sich Selbstzweifel auf und verfestigen sich zunehmend.
Man spricht von "Entwertungen im Alltag".
Nicht nur. Der Mann versucht, seine Partnerin für sich alleine zu haben. Er schaltet ihr soziales Umfeld aus. Er duldet quasi nicht mehr, dass sie eine Freundin zu Rate zieht, um sich mit ihr auszutauschen. Er behauptet zum Beispiel: "Ich glaube, deine Freundin redet schlecht über dich. Hast du nicht gesehen, wie komisch sie dich immerzu anschaut. Sie ahnt wohl, wie es um dich steht." Diese Methode ist sehr einfach und wirkungsvoll. Die Frau zieht sich spürbar zurück und wird überaus unsicher.