Jena/Wien. Vor rund 14.500 Jahren gelangten die ersten Menschen von Asien nach Nordamerika. Vor 5000 Jahren, als die sogenannten "Paläo-Eskimos" das Gebiet bevölkerten, kam es zu einem massiven Genfluss. Als dann allerdings vor rund 800 Jahren die heutigen Inuit einwanderten, verschwand die Kultur der "Paläo-Eskimos" wie vom Erdboden. Dennoch hinterließen sie ihr Erbgut in allen bis heute folgenden Völkern des arktischen Amerikas, wie nun ein internationales Forscherteam im Fachblatt "Nature" berichtet.

Die Wissenschafter um Stephan Schiffels vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena sequenzierten das Erbgut aus Knochenüberresten von 48 prähistorischen Menschen und verglichen es mit dem von 93 heute in Sibirien, Alaska, den Aleuten und Kanada lebenden Menschen. Daraus konnten sie die Bevölkerungsgeschichte der "Paläo-Eskimos" in Alaska, Nordkanada und dem nordöstlichsten Teil Sibiriens namens Tschukotka rekonstruieren.

Vielbereiste Beringstraße

Als diese Bevölkerungsgruppe vor 5000 Jahren aus Asien über die Beringstraße dort ankam, vermischte sie sich zunächst mit den ersten Besiedlern Amerikas, die damals schon seit 9500 Jahren in der "Neuen Welt" waren und deren Erbgut den südlichen indigenen Amerikanern ähnelt, so die Forscher. Die Vorfahren der Bewohner der Aleuten und die Athabasken in den Wäldern Alaskas und Nordkanadas stammen direkt von dieser Mischgruppe ab.

Die Beringstraße war damals vielbereist, wie die Forscher berichten. Nachdem die "Paläo-Eskimos" nach Alaska wanderten, zogen sie als "Vorläufer der archäologischen Kultur des Alten Beringmeeres" zurück nach Tschukotka. Dort blieben sie wahrscheinlich rund 1000 Jahre lang und holten sich wieder frisches Blut aus der lokalen Bevölkerung, um schließlich abermals als Träger der "Thule-Kultur" nach Alaska zu kommen.

Als vor 800 Jahren die Vorfahren der heutigen Inuit und Yupik (eine mit den Inuit verwandte Gruppe in Tschukotka und Südwestalaska) ankamen, mischten sich die "Paläo-Eskimos", obwohl sie als eigenes Volk verschwanden, in die Neuankömmlinge ein und hinterließen somit einen "wesentlichen Anteil ihres Erbguts in allen von damals bis heute lebenden Populationen des arktischen Amerikas und der nordostsibirischen Halbinsel Tschukotka", erklären die Forscher in der Publikation.

Schlüssiges Modell

Dazu gehört nicht nur die indigene Bevölkerung Kanadas und Alaskas, sondern auch in US-Bundesstaaten, zum Beispiel die Apachen und Navajos im heißen, trockenen Arizona, erklärt der auch an der Studie beteiligte österreichische Forscher Ron Pinhasi vom Department für Anthropologie der Universität Wien.

"Unsere Studie ist die erste, die all diese Population in einem einzigen, schlüssigen Modell umfassend beschreibt", betont Schiffels. Die Forscher hoffen, dass sich mit dem von ihnen erstellten Modell ähnliche Fragestellungen auch in anderen Regionen der Welt lösen lassen können.