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Parkinson entsteht im Darm

Von Alexandra Grass

Wissen
© Kateryna_Kon - stock.adobe.com

US-Forscher bestätigen langjährige Annahme im Mausmodell.


Baltimore/Wien. Dass Morbus Parkinson im Darm seinen Ursprung hat, wurde schon längere Zeit vermutet. Jetzt haben US-Forscher den Weg der Erkrankung im Mausmodell aufgezeigt. Demnach beginnt sie in den Gedärmen beziehungsweise auch in der Riechschleimhaut und breitet sich über den Vagusnerv bis ins Gehirn aus, wie sie im Fachmagazin "Neuron" berichten. Mit Einblick in den gesamten Mechanismus wird es möglich sein, neue Behandlungsmethoden zu entwickeln, um das derzeit noch unaufhaltsame Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen oder gar zu stoppen.

Lange vor den für Parkinson typischen motorischen Störungen wie Zittern oder Steifheit leiden die Patienten an Beeinträchtigungen des Geruchssinnes, an Verdauungsbeschwerden und Schlaflosigkeit. Das hat Forscher vermuten lassen, dass die Erkrankung einen anderen Entstehungsort haben muss.

Bei Morbus Parkinson sammelt sich der Eiweißstoff Alpha-Synuclein in Nervenzellen vermehrt an. Das gesunde Protein sitzt in der Zellmembran und reguliert die Ausschüttung von Dopamin, eines wichtigen Botenstoffs, um die Kommunikation zwischen den Nervenzellen sicherzustellen. Ist es allerdings falsch aufgefaltet, verhindert es auch andere Proteine daran, sich korrekt zu bilden.

Vagusnerv als Transportkanal

Gemeinsam mit dem defekten Alpha-Synuclein sammeln sie sich als sogenannte Lewy-Körperchen an. Die Verklumpungen infizieren nach und nach auch Nachbarzellen. Einmal im Gehirn angekommen, greifen sie auch die dortigen Nervenzellen an und vernichten diese sukzessive. Der durch die Zerstörung der Gehirnzellen auftretende Mangel an Dopamin ist auch der Grund für die Bewegungsstörungen.

Die Lewy-Körperchen konnten an zwei Eintrittspforten in den Körper nachgewiesen werden: in den Enden der Riechnerven und in den Nervengeflechten der Magen-Darm-Schleimhaut. Den deutschen Neuroanatomen Heiko Braak hatte dies schon vor Jahren zu der Hypothese veranlasst, dass die Erkrankung sich über diese zwei Pforten ausbreitet - nämlich über den Vagusnerv als Transportkanal. Dieser verbindet das Gehirn mit den Organen und reguliert deren Tätigkeit.

"Unsere Entdeckungen liefern einen weiteren Beweis für die bedeutende Rolle des Darms bei der Erkrankung und ermöglicht ein Modell, um diese von ihrem Beginn an zu studieren", betont Ted Dawson von der Johns Hopkins University School of Medicine.

In ihren Experimenten verabreichten die Forscher gesunden Mäusen in ihren Darm synthetisch missgefaltetes Alpha-Synuclein und untersuchten in unterschiedlichen Abständen das Gehirngewebe. Zehn Monate nach der Gabe hatte sich das Alpha-Synuclein über den Vagusnerv vom Verdauungsapparat bis ins Gehirn ausgebreitet, heißt es in der Studie. In einer Kontrollgruppe durchtrennten die Forscher den Verbindungskanal. Bei diesen Mäusen zeigten sich keinerlei Anzeichen von Zelltod im Gehirn.

Einfluss auf Verhalten

Des Weiteren machten sich die Forscher auf die Spur nach Verhaltensänderungen, die bezeichnend für das Krankheitsgeschehen sind. Dazu setzten sie eine weitere Versuchsreihe auf und untersuchten das Verhalten von drei Gruppen an Mäusen: solchen mit injiziertem missgefalteten Protein, solchen mit injiziertem Alpha-Synuclein und durchtrenntem Vagusnerv sowie solchen ohne Gabe und intaktem Nervus vagus. Die Forscher achteten dabei besonders auf bei Mäusen mit Parkinson-Erkrankung üblichen Verhaltensänderungen - nämlich beim Nestbau und beim Erkunden neuer Umgebungen. Gesunde Mäuse bauen für gewöhnlich große, dichte Nester, in die sie ihre Jungen gebären. Kleinere, unordentlichere Nester sind wiederum ein Anzeichen für motorische Beeinträchtigungen. Auch dabei war die Krankheitsentwicklung bei jenen Tieren deutlich, die bei intaktem Vagusnerv die missgefalteten Proteine bekommen hatten.

Alles in allem zeigen die Ergebnisse den direkten Weg von Parkinson auf. Eine Blockade des Übertragungswegs könnte dazu beitragen, die Erkrankung aufzuhalten, bevor körperliche und kognitive Symptome auftreten, schreiben die Forscher. "Das ist eine aufregende Entdeckung auf dem Gebiet und liefert uns ein Ziel, wo wir früh intervenieren könnten", betont Dawson. In weiterer Folge wollen die Forscher jene Teile des Vagusnervs aufspüren, die es den missgefalteten Proteinen erlauben, bis ins Gehirn vordringen.