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Medicinicum Lech: Gesunde Umwelt, gesunder Mensch

Von Alexandra Grass

Wissen
© AdobeStock/suzannmeer

Das Medicinicum Lech widmet sich den Herausforderungen durch den Klimawandel und ökologische Veränderungen.


Wien. Sieht man sich um in einer Zeit, in der unser Planet immer heißer wird, in der Böden mit Pestiziden, hormonell wirksamen Substanzen und Mikroplastik regelrecht vergiftet sind und das Wirtschaftswachstum weiter im Fokus steht, stellt sich eine Frage: Wie gesund kann der Mensch überhaupt noch sein? Es erfordert große Anstrengung, die Ökologie mit der Ökonomie in Verbindung zu bringen und damit Gesundheit zu gewährleisten, doch scheint es machbar zu sein, wie Experten meinen. Die Umwelt als fundamentaler Gesundheitsfaktor ist auch Kernthema beim diesjährigen Medicinicum Lech, das vom 4. bis 7. Juli stattfindet. Heißer könnte es wohl kaum sein.

"Schaut man sich die Fakten an, könnte man pessimistisch werden", betont Markus Metka, wissenschaftlicher Leiter des Medicinicums, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Insektizide, Pestizide, Massentierhaltung, antibiotikaresistente Keime, Handelsabkommen, Chlorhühner - die Liste an menschlichen Einflüssen auf die Umwelt ließe sich problemlos fortsetzen. Das ökologische Desaster scheint vorprogrammiert. Die Auswirkungen auf die Gesundheit sind fatal. Zivilisationskrankheiten raffen den Menschen dahin. Die Klimakrise mit ihren Auswirkungen tut ihr Übriges.

Es beginnt beim Boden

"Es ist notwendig, dass diese Entwicklung auch anerkannt und beachtet wird", erklärt Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace in Zentral- und Osteuropa. Die Jugend sorgt derzeit weltweit dafür. Unter der Parole "Fridays for Future" gehen unzählige junge Menschen auf die Straße, um konkrete Maßnahmen gegen den Klimawandel einzufordern - für die Gesundheit des Planeten und damit vice versa auch für die eigene Gesundheit. Den Klimastreiks haben sich mittlerweile auch Wissenschafter (Scientists for Future), Eltern (Parents for Future), Künstler (Artists for Future) und Unternehmer (Entrepreneur for Future) angeschlossen. In Österreich werden das ab Herbst auch die Ärzte mit "Doctors for Future" tun, so Metka.

Frei nach dem Motto "Der Mensch ist, was er isst" setzt der Mediziner auf die Ernährung als grundlegende gesundheitsfördernde Maßnahme für den Einzelnen. "Die gesunde, sichere, natürliche Ernährung spielt eine Riesenrolle." Vielerorts wird auf biologische Landwirtschaft umgestellt, was sich auch positiv auf die Böden auswirkt. Denn "Tatsache ist, dass es schon beim Boden beginnt, der zunehmend nicht nur vergiftet oder verfälscht wird, sondern auch zubetoniert". Doch nur aus einem gesunden Boden kann eine gesunde Pflanze wachsen, die dem Menschen als gesunde Nahrung dient.

Der Mensch nimmt tagtäglich Umweltgifte zu sich. Sie wirken wie Antibiotika chronisch auf den Darm, erklärt der Mediziner. Gifte verschiedenster Art wirken negativ auf den gesamten Organismus ein. Und die Lebensmittelindustrie nimmt an dem Konzert teil. Zucker, Salz und schlechte Fette beherrschen die Fertignahrung. Adipositas und Diabetes sind die Folge. Trotzdem "reden wir weiter von Anti-Aging und den großartigen Dingen, die uns die zukünftige Medizin bringt. Doch wir sollten vorher aufpassen. Tatsächlich betreiben viele Menschen derzeit reines Pro-Aging."

Faktor Ernährung

Die derzeitige Aufbruchstimmung könnte sich positiv auf die Gesundheit auswirken. Auf die des Einzelnen, auf die der gesamten Bevölkerung und auf die des Patienten Erde. "Über die Ernährung lässt sich sehr viel machen", so Metka. Einen großen Faktor nimmt dem Mediziner zufolge dabei auch das viel beschworene Detox ein. Nicht immer sei es möglich, die Aufnahme von Giftstoffen zu vermeiden beziehungsweise zu verhindern. "Da wir uns dessen ja gar nicht erwehren können, müssen wir die Gifte wieder aus unserem Körper herausbefördern." Detox sei dabei heute schon mehr als ein Modewort. Je mehr toxische Substanzen wir aufnehmen, desto mehr müssen wir darauf achten, das auch richtig zu entfernen. Immer mehr Ernährungsformen nehmen darauf Rücksicht.

Egit warnt wiederum vor den Auswirkungen der Klimakrise. Die Zahl der Hitzetoten werde mit den fortschreitend steigenden Temperaturen stark zunehmen. Im Jahr 2018 gab es in Österreich 766 solcher Fälle - im Vergleich dazu "nur" 400 Verkehrstote. Gefährdet seien vor allem Kinder, ältere Menschen, Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität, so der Experte.

Auch die Luftschadstoffe kosten den Menschen Lebensjahre. Im Jahr 2012 sind in Österreich 40.000 bis 65.000 gesunde Lebensjahre durch diesen Einfluss verloren gegangen. Zudem nimmt die Pollenbelastung zu. "Die Pflanzen blühen früher, die Pollen verbreiten sich früher." Das führt zu drastisch verlängerten Belastungszeiten. "Für Menschen, die versuchen, ein Pollenmonat zu überstehen, und jetzt wissen, dass es noch ein zweites oder gegebenenfalls sogar drittes gibt, ist das ein ernsthaftes Problem."

Sich den Folgen entziehen

Neben der Zunahme von klimabedingten Katastrophen wie Überschwemmungen, Dürren und Stürme werden auch tropische Erkrankungen vermehrt eine Rolle spielen. Durch die Veränderung der klimatischen Situation finden Tierarten aus tropischen und subtropischen Zonen bessere Lebensbedingungen vor. Mücken und Zecken gewinnen als Krankheitsüberträger zunehmend an Bedeutung.

Doch wie lässt sich handeln? "Wenn man sich den gesundheitlichen Folgen vom Klimawandel entziehen will, dann wird man sich anpassen müssen", betont Egit. So werden wir uns nicht nur vor Gelsen schützen müssen. Um vor allem besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen in Sicherheit zu wiegen, wird es bauliche Maßnahmen geben müssen. "Wir werden zu anderen Baustandards kommen und zu einer anderen Mobilität." Eine effektive Kühlung in Gebäuden, aber auch in der Mobilität - Stichwort öffentliche Verkehrsmittel - wird Raum einnehmen.

Von der Hitze überrollt

Wir haben gerade den heißesten Juni in der Messgeschichte hinter uns gebracht. Es gebe gute Gründe, zu vermuten, dass das, worüber wir viele Jahre geredet und gewarnt haben, jetzt eingetroffen ist. Das begründe auch die Entschlossenheit von Klimabewegungen, die im Wesentlichen sagen: "Wir könnten das Jahr 2100 zwar biologisch noch erleben, aber, so wie es im Moment aussieht, wird uns die Hitze überrollen." Das sei ein ganz zentraler Grund, warum es so eine Motivationslage gebe, betont Egit.

"Der gesunde Mensch in einer gesunden Umwelt", wie die Headline des diesjährigen Medicinicums lautet, ist zu einer der herausforderndsten Aufgaben der Menschheit geworden.

www.medicinicum.at