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Die richtige Prise: Salz ist Lebenselixier und Krankmacher

Von Alexandra Grass

Wissen
Mit Spezialsalzen wird auch heute noch gutes Geld gemacht.
© Adobe Stock/Herzog Markus

Ein Leben ohne Salz wäre nicht möglich, über Abbau und Konsum von Salz.


Natrium und Chlorid - zwei Elemente, die den Chemieunterricht zu Schulzeiten in Erinnerung rufen. Doch als Verbindung sind sie viel, viel mehr als das. Als Natriumchlorid sind sie unzertrennlich mit dem menschlichen Leben verknüpft. Es lässt uns lachen, denken und tanzen. Es erzeugt Nervenimpulse, die unser Herz, unsere Muskeln und unser Gehirn antreiben. Also: Ohne Salz kein Leben. Zu viel davon kann es jedoch gefährden. Salz ist Lebenselixier und Krankmacher zugleich. "Es gilt als Würze, als Gift und als Medizin, es wird geliebt und gehasst", schreibt die Ernährungswissenschafterin Anja Tanas in ihrem Buch "Alles über Salz - Die ungeheure Wirkung der richtigen Prise".

Das Salz verstärkt den Geschmack der Speisen - doch aufgepasst bei verliebten Köchen. In früheren Zeiten bereicherte es den Geldbeutel des Kaufmanns, der damit handelte. Vitae sal amicita - die Freundschaft ist des Lebens Salz. Fakten, Mythen und Sprichworte. Das in fester Form zumeist weiße Kristall hat uns fest im Griff.

Vom Ozean in die Berge

Sein Kreislauf beginnt mit dem Regen. Die Wassertropfen fallen auf die Erde und versickern im Boden. Auf seinem Weg in die Tiefe löst das Wasser Mineralien aus den Gesteinen - bis es im Grundwasser landet. In Form von Quellen tritt es wieder an die Oberfläche. Indem es weiter durchs Land fließt, reichert es sich unaufhörlich mit Mineralstoffen an - bis es im Meer landet. Ozeane sind riesige Salzspeicher, in denen Salz aus Millionen von Jahren gelöst ist. Verdunstet Wasser, so steigt es in den Himmel auf und bildet Wolken. Der nächste Regen startet den Prozess von Neuem.

Der Körper kann das lebenswichtige Natrium nicht selbst herstellen, daher ist er auf dessen aktive Aufnahme mit der Nahrung angewiesen. Schon die Jäger und Sammler stillten ihren Salzhunger - damals noch durch tierisches Blut. Bis sie entdeckten, dass auch Gewässer Salz führen. Die neolithische Revolution, also die Sesshaftwerdung des Menschen und das Aufkommen des Ackerbaus, brachte es mit sich, dass seltener gejagt wurde. So war es notwendig geworden, Lebensmittel zu konservieren. Natürlich mit Salz.

Abbau in Hallstatt

Im alten Ägypten stand es nur Pharaonen als Opfergabe zu. Im alten Rom fand es als Zahlungsmittel Verwendung. Den Salzhandel im Mittelmeerraum etablierten die Phönizier.

Die älteste bekannte Abbaustätte der Welt liegt im oberösterreichischen Hallstatt. Dort bedienten sich schon die Kelten mit dem kostbaren Gut. Die Hallstätter exportierten Salz über Handelswege nach Deutschland, Italien und auf den Balkan. Der Rohstoff bescherte der Stadt einen unglaublichen Reichtum, bis das Bergwerk im vierten Jahrhundert vor Christus durch einen Erdrutsch verschüttet wurde. Ein neues musste erschlossen werden. Heute noch wird in Hallstatt Salz gefördert.

Die fortschreitende Industrialisierung war es, die Salz von der weißen Kostbarkeit zum billigen Alltagsprodukt werden ließ, schreibt Tanna in ihrem im Beltz-Verlag erschienen Buch. Ab dem 19. Jahrhundert war die Technik so weit fortgeschritten, dass man bisher unbekannte Salzlagerstätten aufspüren und die Produktionen steigern konnte.

Wunderwerk Natrium

Rund 70 Prozent des weltweit verbrauchten Salzes werden in unterirdischen Bergwerken abgebaut, nur ein Drittel des Bedarfs wird durch Meersalz oder Salzseen abgedeckt. Weniger als zehn Prozent des gewonnenen Salzes dienen übrigens dem Verzehr. Der Großteil davon findet Verwendung in der Industrie. Etwa bei der Herstellung von Futtermitteln, zur Wasserenthärtung oder Konservierung.

Zudem streuen wir heute tonnenweise Salz auf vereiste Straßen, um diese befahrbar zu halten. Warum das funktioniert? Eine gesättigte Kochsalzlösung hat einen Gefrierpunkt von minus 21 Grad Celsius. Auf die Eisfläche aufgebracht, entsteht daraus eine flüssige Salzlösung - eine recht praktische Anwendung für die in der Chemie genannte Gefrierpunkterniedrigung.

Im Jahr 2017 wurden, um diese Menge aufbringen zu können, weltweit rund 280 Millionen Tonnen abgebaut. Von rarem Gut ist also keine Rede mehr.

Der menschliche Organismus benötigt Salz für die Nährstoff- und Flüssigkeitsbalance innerhalb und außerhalb seiner Zellen. Nur wenn diese Balance ausgewogen ist, können die Stoffwechselvorgänge in unserem Körper richtig ablaufen. Natrium reguliert dabei den Flüssigkeitshaushalt zwischen den Körperzellen. Chlorid unterstützt das Natrium dabei.

Doch nichts funktioniert ohne Wasser. Unser Körper besteht immerhin zu zwei Dritteln daraus. Wassermoleküle bewirken nicht nur, dass die nötigen Nährstoffe und Sauerstoff in die Zellen gelangen, sondern auch in sie hinein. Da kommt wiederum das Salz ins Spiel.

"Ist die Salzkonzentration außerhalb unserer Zellen groß, wird diesen Wasser entzogen, damit diese hohe Konzentration sinkt. Umgekehrt wird Wasser aus der Umgebung hineingeschleust, wenn der Salzgehalt in der Zelle überwiegt", erklärt die Autorin. Durch diesen Flüssigkeitsaustausch gelangen Nährstoffe an den richtigen Ort, unerwünschte Stoffe werden wiederum ausgeschwemmt.

Zu hoher Salzkonsum

Stimmt dieses Gleichgewicht nicht, spüren wir das recht deutlich. Wer zu salzig isst, bekommt Durst, denn wir benötigen Wasser, um diese hohe Konzentration auszugleichen. Dabei gelangt das Salz ins Blut, dessen Volumen sich dadurch vergrößert. Die Folge ist ein höherer Blutdruck. Ein Zu wenig an Salz lässt uns in Heißhungerattacken auf Chips und Ähnliches verfallen.

Doch wie viel des weißen Kristalls soll der Mensch eigentlich zu sich nehmen? Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Europäische Kommission schätzen, dass für Erwachsene eine Zufuhr von 200 bis 500 Milliogramm Natrium am Tag ausreicht. So viel Natrium, wie wir täglich für die Aufrechterhaltung unserer Körperfunktionen benötigen, befindet sich in etwa in einem guten Gramm Kochsalz. Ungefähr 99,2 Prozent der Weltbevölkerung nimmt zu viel Salz zu sich. In Europa etwa isst jeder Erwachsene im Durchschnitt acht bis elf Gramm pro Tag. Vier Gramm würden dabei völlig ausreichen. So viel fasst ein Teelöffel.

Artenreichtum im Handel

Zahlreiche Studien belegen, dass ein hoher Salzkonsum Bluthochdruck hervorruft. Dieser ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zudem raubt Natrium dem Körper das für den Knochen wichtige Kalzium. Die beiden Stoffe werden im Urin gemeinsam ausgeschieden. Eine dadurch angefachte Veränderung der Knochenstruktur führt zu Osteoporose. Bei Salzmangel wiederum sinkt der Blutdruck. Schätzungen zufolge gehen weltweit 4,1 Millionen Todesfälle pro Jahr auf das Konto von zu hohem Salz- bzw. Natriumkonsum. Deshalb wollen bis zum Jahr 2025 alle Mitgliedsstaaten der WHO die Salzaufnahme in der Bevölkerung um 30 Prozent senken.

Im Handel werden Speisesalze unterschiedlichster Art angeboten: Tafelsalz, Meersalz, Steinsalz - darunter auch Luxus- und Gourmetsalze wie Fleur de Sel, Fleur Gris, Hawaiianisches oder Inka-Sonnensalz. Der Großteil ist industriell hergestellt und damit raffiniert. In vielen sind Zusatzstoffe wie Jod oder Rieselhilfen. In manchen findet sich - ungewollt - auch Mikroplastik. Natursalze enthalten üblicherweise keine Rieselhilfen und sind auch weniger stark verarbeitet. Was letzten Endes aber wirklich zählt, ist die hohe Kunst der richtigen Prise.