Einen Schritt vorausdenken" ist die Aufgabe, die sich der Wissenschafter Niki Popper gegenüber dem Coronavirus gestellt hat. Getan hat er dies mittels Modellbildung und der Simulation möglicher Ausbreitungsszenarien für Österreich. Ein wichtiges Ergebnis: Das System der Absonderung von Coronavirus-Erkrankten und Angehörigen zeigt am Rechner eine erhebliche Reduzierung der Gesamterkrankten.

Modell erweiterbar

"Interventionen, wie sie aktuell umgesetzt werden", zahlen sich laut Berechnungen also aus. Gegenüber der APA gibt Popper zu bedenken, dass keine absoluten Prognosen möglich seien, die Ergebnisse decken sich aber weitgehend mit jenen der Experten der London School of Hygiene, die in einer Computersimulation ebenfalls mehrere Modelle einer Ausbreitung durchgerechnet hatten. Ein entscheidender Faktor der im Fachblatt "The Lancet" publizierten Studie war der Umstand, wie viele der Kontaktpersonen eines Erkrankten wirklich aufgefunden werden können.

Ausgang der Berechnung in Österreich war der erste Corona-Fall in Innsbruck, wobei es eine lokal begrenzte Version und eine mit österreichweitem Aufkommen inklusive Ballungszentren gibt. Die verwendeten Zahlen sind Annahmen, die dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Durch einen modularen Ansatz könne das Modell jedoch ständig mit neuen Fakten erweitert werden, wobei etwa neue Annahmen zu Inkubationszeit oder Krankheitsverlauf ständig integriert werden können.

Für die aktuelle Corona-Simulation wurde bisher aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit ein relativ einfaches Netzwerkmodell verwendet, das vor allem Alter und Regionalität nutzt. Die Forschungsgruppe arbeitet darüber hinaus auch an komplexeren Netzwerken, die auf Basis statistischer Daten Tagesabläufe generieren. Dadurch können im weiteren auch Effekte wie der Wechsel zwischen privatem Umfeld und Schule bzw. Arbeitsplatz abgebildet werden, so Popper.

Kurze Sprünge erwartet

Der Experte gibt zu bedenken, dass es im weiteren, realen Verlauf noch zu "dynamischen Effekten" kommen wird. Denn irgendwann, wenn die Krankheit in einem großen Unternehmen, einer Bildungseinrichtung oder einem anderen beschränkten, aber gut vernetzten "Pool an potenziellen Trägern" auftritt, könnten plötzlich "30 bis 40 Leute mehr erkrankt sein". Dies hängt mit dem Zeitfenster zusammen, in dem Infektiosität herrscht, ohne dass Symptome ausgebildet sind. Bei aller Vorsicht und der guten Umsetzung der Quarantänemaßnahmen führt diese Eigenschaft des Virus im Simulationsmodell mit hoher Wahrscheinlichkeit zu zeitlich und regional beschränkten Ausbreitungen, so Popper, der auch als Koordinator des interfakultären Zentrums Computational Complex Systems forscht. Entsprechende Reaktionen vonseiten der Bevölkerung sind da zu erwarten. Auch hier sollen Simulationen durch die Möglichkeit, den Prozess verstehen zu lernen, dabei helfen, kurzzeitigen Sprüngen den "Schrecken der Nicht-Nachvollziehbarkeit" zu nehmen.

Die Berechnungen eines Verlaufs von Sars-CoV-2 zeigen mehrere Fakten auf. Eines ist der Einfluss der "unwissenden Infizierten", die es aufgrund der langen Inkubationszeit gibt. Man geht von zumindest 15 Prozent aus, die das Virus in sich haben, ohne es zu wissen. Jedoch sei das kein Grund zur Panik, mehrheitlich verläuft die Erkrankung bekanntlich mild. Es gehe vor allem um den Schutz Älterer und Kranker.

Bisherige Prognosen

Am 24. Februar wurde auf der Seite des TU-Ablegers dwh GmbH, dessen wissenschaftlicher Leiter Popper ist, vermeldet, dass man Anfang März mit dem ersten bestätigten Fall in Österreich rechne. Das ging nicht ganz auf, einen Tag später wurde die Krankheit offiziell vermeldet. Am 26. Februar wurden dann die Simulationen für Österreich und China auf der Webseite publiziert. "Nichtsdestoweniger zeigen die Zahlen aber auch, dass aufgrund der Infektiosität die Spitze in China bald erreicht ist", hieß es da - eine Prognose, die scheinbar aufgeht: Am Dienstag meldete China ein Rekordtief bei neuen Erkrankungen und diese flachen weiter ab.