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Das Kraut gegen Covid-19

Von Alexandra Grass

Wissen
© StockAdobe/marilyn barbone

Die Überlebensstrategie von Pflanzen nützt auch dem Menschen - Studien zeigen Erfolge.


Während die einen im Kampf gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 mit Hochdruck an möglichen Impfstoffen und Medikamenten forschen, haben die anderen bereits wirksame Rezepte in der Hand. Denn verschiedenste Pflanzen bergen das Potenzial, Fieber- und Hustensymptome zu reduzieren, das Fortschreiten einer Erkrankung zu begrenzen und die Abwehrkraft des Menschen gegen ein Virus oder auch Bakterien zu stärken. In der Traditionell Chinesischen Medizin (TCM) oder etwa der Traditionell Europäischen Medizin (TEM) gibt es nicht nur Forschungsansätze. Mediziner berichten bereits von Erfolgen - auch im Einsatz gegen Covid-19.

Dass Heilpflanzen zu Recht ihren Namen tragen, ist in China bereits seit mehr als 2000 Jahren bekannt - in Europa nicht erst seit Hildegard von Bingen. Auch ohne die winzigen Erreger benennen zu können, linderten unsere Vorfahren auf allen Erdteilen Symptome wie Husten, Fieber oder Atemwegsprobleme mit natürlichen Wirkstoffen.

Bereits im Februar hatte der chinesische Pharmakologe John K. Chen darüber berichtet, wie Covid-19 in seiner Heimat therapiert wird. Eine Kombination von Schulmedizin und TCM war seitens der Regierung als Behandlungsstrategie angeordnet worden. Mit an Bord waren etwa das Hubei Provinzkrankenhaus für integrierte traditionelle chinesische und westliche Medizin sowie das TCM-Krankenhaus der Provinz Guandong. Darunter auch Huang Luqi, Vorsitzender der Chinesischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften. Der kombinierte Einsatz hatte in den Patientenstationen eine erhebliche Verbesserung des Gesamtzustands der Betroffenen gezeigt.

Kürzere Spitalsaufenthalte

Eine Mitte April im Open-Access-Fachblatt "Chinese Medicine" publizierte Studie zeigte, dass die Anzahl der Krankenhaustage bei Covid-19-Patienten, die eine TCM-Behandlung erhielten, gesenkt werden konnte. Insgesamt wurden dabei 54 Betroffene mit Lungenentzündung dokumentiert. Die Forschenden kamen zu dem Ergebnis, dass die TCM eine positive klinische Wirksamkeit hatte, das Blutbild verbesserte und die Genesung beschleunigte. Die Dauer der Krankenhausaufenthalte betrug bei ihnen im Durchschnitt 8,96 Tage. Vom Robert-Koch-Institut in Deutschland wurde zuletzt ein Minimum von zehn Tagen als Durchschnittsaufenthaltsdauer angegeben.

"Es hat sich gezeigt, dass der begleitende Einsatz von Rezepturen der traditionellen chinesischen Medizin die Mortalität und den Schweregrad der Symptomatik der Erkrankung drastisch absenkt, in manchen Spitälern wurde die Sterblichkeitsrate sogar auf Null gesenkt. Bei der Sars-Epidemie 2003 konnten TCM-Rezepturen die Mortalität der Erkrankung und die Ausbildung der Symptomatik signifikant reduzieren", heißt es auch seitens der Wiener Internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin (Gamed).

Viele Forscher arbeiten bei der Suche nach potenten antiviralen Wirkstoffen mit der Natur zusammen - darunter auch Judith Rollinger, Leiterin der Arbeitsgruppe "Phytochemistry & Biodiscovery" an der Universität Wien. Eine Überlebensstrategie von Pflanzen und anderen Organismen ist es, sich mit eigenen Stoffwechselprodukten gegen Schädlinge, Fraß und Krankheiten zu schützen. Es gelte, gezielt dieses chemische Arsenal anzuzapfen, so Rollinger in einer Aussendung des Wissenschaftsfonds FWF, der die Arbeit fördert. Mit ihrem Forschungsteam durchforstet sie überliefertes Wissen, um neue Wirkstoffe gegen Lungeninfektionen durch Influenza, das Coronavirus oder Pneumokokken zu finden.

Extrakt mit Zweifachwirkung

Im Labor wurden 28 natürliche Extrakte in der Petrischale auf Zellkulturen angesetzt, die mit respiratorischen Pathogenen infiziert wurden, darunter auch Arzneistoff-resistente Influenza-Virenstämme. Verglichen wurde deren antivirales Potenzial mit Tamiflu - einem etablierten Grippe-Medikament. In der Forschungsarbeit konnten Naturstoffe mit dualer Wirkung identifiziert werden. Sie hemmen gleich zwei für Lungeninfektionen verantwortliche Erreger: Influenzaviren und Pneumokokken. Nun will die Forschergruppe in einem Folgeprojekt die Brücke zum Coronavirus schlagen.