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Musik macht nicht schlauer

Von Alexandra Grass

Wissen

Forscher widerrufen die gängige Meinung nach Durchsicht früherer Studien.


Was tun Eltern nicht alles, um ihren Nachwuchs zu fördern. Schon im Kleinkindalter werden die Jüngsten von der Spielgruppe zum Babyschwimmen oder vom Englischkurs zum Musikunterricht manövriert. Von all den Angeboten soll vor allem eines besonders profitieren - das Gehirn. So wird insbesondere der Musik schon lange Zeit eine entwicklungsfördernde Wirkung auf unser Denkorgan nachgesagt. Viele Studien kommen zumindest zu dem Schluss.

Dass dem allerdings nicht so ist, meinen nun Forscher um Giovanni Sala von der Fujita Health University in Japan und Fernand Gobet von der London School of Economics and Political Science im Fachblatt "Memory&Cognition". Ihnen zufolge hat Musik keinen positiven Einfluss auf Gedächtnis oder akademische Leistungen wie Mathematik, Lesen und Schreiben.

Fehlinterpretation von Daten

Die Wissenschafter begaben sich auf die Suche nach vorhandenen experimentellen Beweisen bezüglich der Auswirkungen von Musiktraining auf die nichtmusikalischen kognitiven Fähigkeiten und akademischen Leistungen von Kindern. Wie sie berichten, wurden sie nicht fündig. Sie hatten erneut Daten aus 54 früheren Arbeiten mit rund 7000 Kindern, die zwischen 1986 und 2019 erschienen waren, analysiert.

Beim Vergleich der Studien stellten die Autoren schließlich fest, dass vor allem Arbeiten mit qualitativ hochwertigem Studiendesign keinen Einfluss zeigten. Bei diesen wurden Kontrollgruppen verwendet - nämlich Kinder, die keine Musik lernten, sondern stattdessen andere Fertigkeiten wie Tanz oder einen Sport. Kleine Effekte wurden demnach nur bei Studien entdeckt, die keine solchen Kontrollgruppen enthielten.

"Wir konnten zeigen, dass die verbreitete Vorstellung, dass Musik Kinder schlauer macht, falsch ist", betont Hauptautor Sala. Auf der praktischen Seite bedeute das, dass Musikunterricht mit der alleinigen Absicht, die kognitiven und akademischen Fähigkeiten eines Kindes zu verbessern, sinnlos sei. "Während das Gehirn darin trainiert wird, beim Spielen von Musik besser in Musik zu werden, lassen sich diese Vorteile nicht verallgemeinern. Es heißt nicht, dass Sie beim Lernen von Musik auch besser in Mathematik werden", erklärt der Forscher. Die berichteten Erfolge könnten eine Fehlinterpretation früherer empirischer Daten sein.

Dennoch könne Musikunterricht für Kinder von Vorteil sein, betont Gobet. So werden dabei etwa soziale Fähigkeiten oder das Selbstwertgefühl verbessert. Und sehr wohl könnten bestimmte Elemente der Musik, wie etwa die arithmetische Notation, dazu verwendet werden, um das Lernen in anderen Disziplinen zu erleichtern.

Noch zu wenige Studien

Die beiden Kognitionsforscher geben auch zu bedenken, dass noch zu wenige Studien durchgeführt wurden, um zu einer endgültigen Schlussfolgerung über mögliche positive Auswirkungen der Musikausbildung auf das Gehirn zu gelangen. Alternative Wege mit Musikaktivitäten könnten auf jeden Fall eine Erkundung wert sein.