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Plan für eine gerechte Verteilung

Von Alexandra Grass

Wissen

19 Forscher zeigen in "Science" auf, wie der Covid-19-Impfstoff sinnvoll zum Einsatz kommt.


Fair und gerecht soll die Aufteilung des Covid-19-Impfstoffes erfolgen, lautet die lautstarke Verpflichtung. Doch wie genau sieht "fair und gerecht" in der Praxis aus? Dieser Frage haben sich 19 Gesundheitsexperten rund um den Globus angenommen und einen Drei-Stufen-Plan entwickelt, der vor allem darauf abzielt, vorzeitige Todesfälle und andere irreversible gesundheitliche Folgen durch Covid-19 zu reduzieren. Das "Fair Priority Modell" stellen sie im Fachblatt "Science" vor.

Obwohl bei der Erarbeitung eines einzigen globalen Vertriebsrahmens bisher nur geringe Fortschritte erzielt wurden, stehen zwei Hauptvorschläge im Mittelpunkt: So sollen vor allem Beschäftigte im Gesundheitswesen und Hochrisikogruppen zuerst geimpft werden. Andererseits schlägt die WHO vor, dass Länder Dosen erhalten, die proportional zu ihrer Bevölkerung sind.

Beide Strategien seien "ernsthaft fehlerhaft", urteilt der Bioethiker Ezekiel J. Emanuel von der University of Pennsylvania und Vizeprovost der Non-Profit-Organisation Global Initiatives. "Die Idee, Impfstoffe nach Bevölkerungsgruppen zu verteilen, scheint eine gerechte Strategie zu sein. Tatsache ist jedoch, dass wir die Dinge für gewöhnlich danach verteilen, wie schwer das Leiden an einem bestimmten Ort ist. Wir argumentieren, dass das primäre Maß für das Leiden die Anzahl der frühzeitigen Todesfälle sein sollte, die ein Impfstoff verhindert würde."

Drei Grundwerte wesentlich

In ihrem Vorschlag weisen die Autoren auf drei Grundwerte hin, die berücksichtigt werden müssen: Der Nutzen für die Menschen und die Begrenzung des Schadens, die Priorisierung von Benachteiligten sowie die gleiche moralische Sorge für alle Menschen. Das "Fair Priority Modell" würde das berücksichtigen, indem es sich auf die Minderung von drei Arten von Schäden konzentriert, die durch Covid-19 verursacht würden, so die Forscher: Tod und dauerhafte Organschäden, indirekte gesundheitliche Folgen wie die Belastung des Gesundheitssystems sowie wirtschaftliche Zerstörung.

Von all dem sei die Verhinderung des Todes - insbesondere des vorzeitigen - besonders dringend. Das stehe auch im Mittelpunkt der Phase 1 des Modells. In Phase 2 schlagen die Autoren zwei Kennzahlen vor, die die gesamtwirtschaftliche Verbesserung und das Ausmaß erfassen, in dem Menschen von Armut verschont bleiben würden. In Phase 3 würden zunächst Länder mit höheren Übertragungsraten priorisiert. Doch alle Länder sollten schließlich genügend Impfstoffe erhalten, um die Übertragung zu stoppen - was voraussichtlich voraussetzt, dass 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung immun sind, heißt es in dem Papier.

Im Gegensatz dazu beginnt der WHO-Plan mit drei Prozent der Bevölkerung jedes Landes, die Impfstoffe erhalten, und setzt sich mit der bevölkerungsproportionalen Zuteilung fort, bis jedes Land 20 Prozent seiner Bürger geimpft hat. Das Team argumentiert, dass dieser Plan zwar politisch vertretbar sein möge, jedoch "fälschlicher davon ausgeht, dass Gleichheit es erfordert, Länder gleich zu behandeln, anstatt gerecht auf ihre unterschiedlichen Bedürfnisse zu reagieren". In Wahrheit seien gleichermaßen bevölkerungsreiche Länder dramatisch unterschiedlichen Todes- und wirtschaftlichen Zerstörungsraten durch die Pandemie ausgesetzt.

Die Autoren lehnen auch einen Plan ab, der die Länder nach der Anzahl der Beschäftigten im Gesundheitsweisen, dem Anteil der 65-Jährigen und die Anzahl der Menschen mit Vorerkrankungen priorisiert. Eine bevorzugte Immunisierung von Gesundheitsberufen, die bereits Zugang zu persönlicher Schutzausrüstung und anderen fortschrittlichen Methoden zur Prävention haben, würde den Schaden in Ländern mit höherem Einkommen vermutlich nicht wesentlich verringern.

Nicht nur für reiche Länder

In ähnlicher Weise würde die Konzentration auf die Impfung von Ländern mit vielen älteren Menschen nicht unbedingt die Ausbreitung des Virus verringern oder den Tod minimieren. Zudem hätten Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen weniger ältere Einwohner und Beschäftigte im Gesundheitswesen pro Kopf als Länder mit höherem Einkommen.

"Am Ende geben sie den reichen Ländern viel Impfstoff, was nicht das Ziel einer fairen und gerechten Verteilung zu sein scheint", warnt Emanuel.