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"Generation Corona" verhindern

Von Alexandra Grass

Wissen
Junge brauchen den Kontakt zu anderen, um sozial wachsen zu können.
© stock adobe/Alessandro Biascioli

Die sozial verletzlichste Gruppe der Pandemie sind die Jugendlichen, macht Martina Leibovici-Mühlberger aufmerksam.


Die Corona-Pandemie mit all ihren Maßnahmen im Gepäck, die uns bereits seit Monaten begleiten, liegt den Menschen quer durch alle Altersstufen mittlerweile schwer im Magen. Gerade seit dem zweiten Lockdown ist das Grundgefühl spürbar grauer geworden. Auf eine Gruppe könnte diese Zeit allerdings besonders große und nachhaltige Auswirkungen haben - die Jugendlichen. Aktuelle Zahlen einer deutschen Jugendstudie zeichnen diesbezüglich ein tristes Bild. 34 Prozent der unter 24-Jährigen glauben demnach nicht an die Zukunft. Drei Viertel von ihnen bekennen sich allerdings zu den Einschnitten und würden sich sehr verantwortungsbewusst verhalten. Die Psychotherapeutin und Ärztin Martina Leibovici-Mühlberger erklärt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", was Jugendliche brauchen, um in einer Zeit des Social Distancing den letzten Schritt zum Erwachsenwerden gut meistern zu können und nicht zur "Generation Corona" zu werden.

Ein Jahr ist sehr viel

Gerade im heranwachsenden Alter sind Sozialkontakte unglaublich wichtig. Doch wie ist es derzeit überhaupt möglich, Sozialkompetenz zu erwerben, wenn das Leben nahezu auf digitalen Austausch beschränkt ist? "Das Wichtigste ist, dass sich die Jungen eins zu eins austauschen können, nicht nur über den elektronischen Weg", erklärt die Expertin. Für die Entwicklung brauche es die physische Gegenwart und das physische Gegenüber. Der Mensch hat nur ein paar Jahre Zeit, sich auszuprobieren. "All diese sozialen Spielregeln, die Rangdynamiken bis man in der sozialen Interaktion auch weiß, wer man ist, braucht es, um erwachsen zu werden." Die Periode, in der der spätpubertierende Mensch dies erleben kann, ist recht kurz. "Da macht es viel aus, wenn man ein ganzes Jahr verliert, oder vielleicht noch mehr."

Drei Viertel geben Hoffnung

Leibovici-Mühlberger stuft die Gruppe der 16- bis 24-Jährigen als die derzeit vulnerabelste in der Gesellschaft ein. Dies aufzuzeigen, sei wesentlich, um eine Kehrtwendung einlegen zu können. Werde verabsäumt, hier gegenzusteuern, drohe ein Abdriften in die "Generation Corona", die von Demotivation geprägt ist.

Nun gelte es herauszufinden, was Hilfsmittel sein können, um der Jugend ihre Bedeutung als Zukunftsgeneration vermitteln zu können, so die Expertin. Dabei sei auch die Politik gefordert, entsprechende Rückmeldungen an die Jugendlichen zu geben: "Ihr seid keine verlorene Generation, wir brauchen euch und euer vernetztes Denken, eure Kompetenzen mit den ganzen modernen Medien und eure Kreativität." Der Bedarf an positiver Motivation sei enorm. Und die Wissenschaft weiß, dass negative Verstärker nicht gerade leistungsfördernd sind. "Trete ich eine Reise demotiviert an, werde ich jede Herausforderung nicht als Herausforderung, sondern als Stolperstein erleben", so Leibovici-Mühlberger.

Hoffnung gibt die Tatsache, dass sich laut Studie drei Viertel der Jugendlichen, obwohl sie selber nicht so gefährdet sind und es für sie das Härteste ist - härter als für Menschen, die schon ihren Platz in der Gesellschaft haben -, trotzdem zu den derzeitigen Einschnitten bekennen. Die Jungen "sind bereit, jetzt auf das Hakeln und Schulterklopfen zu verzichten, wollen sich aber austauschen", betont die Psychotherapeutin. Diese Einstellung gehöre honoriert, "indem man ihnen auch mit einer gewissen Großzügigkeit den so wichtigen sozialen Austausch einräumt", fordert sie.

Allgemein steht der Mensch derzeit unter extrem hohem Druck. Dabei zeige sich jetzt, wer gut mit Stress umgehen kann beziehungsweise gute Coping-Strategien hat, die sogar dazu beitragen könnten, besser und möglicherweise sogar gestärkt durch die Krise zu kommen. Das vorherrschende graue Gefühl führe auf die Dauer zu Resignation. "Resignation ist ein schlimmer Zustand - für den Einzelnen und für eine Gesellschaft im Besonderen", so Leibovici-Mühlberger.

Tipps und Tricks

Hilfestellung bietet die Psychotherapeutin am 17. Dezember mit einem Gratis-Live-Webinar im Rahmen der Initiative "fitforlife". In der Praxis konnte sie Familien und Jugendliche beobachten, die unter der Krise besondere Resilienz zeigten. Mit Tipps und Tricks soll ein mögliches Erfolgsrezept erarbeitet werden.

Informationen unter:

www.fitforlife.at