Mit der bisher in Japan und vor allem im brasilianischen Covid-19-Hotspot Manaus aufgetauchten SARS-CoV-2-Variante mit der Bezeichnung "P.1" gibt es eine weitere Unbekannte in der weltweiten Pandemie-Gleichung. "Noch keine Hinweise" auf die Variante in Österreich hat der Mikrobiologe Andreas Bergthaler vom Forschungsinstitut für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Es gebe Theorien, dass "P.1" dem Immunsystem leichter entwischen könnte.

Wie die britische und die südafrikanische Varianten ist auch die P.1-Variante "unabhängig entstanden, es scheint hier keinen Zusammenhang zu geben", sagte Bergthaler zur APA. Trotzdem gibt es Parallelen: So weisen alle drei Mutationsanhäufungen die Mutation "N501y" im Spike-Protein des Erregers auf. Diese Veränderung im Viren-Erbgut dürfte die Fähigkeit des Erregers erhöhen, an menschliche Zellen zu binden, was mit einer erhöhten Übertragbarkeit der neuen Varianten zusammenhängen könnte.

Auswirkungen auf Immunantwort möglich

Der brasilianisch-japanische Stamm hat - wie auch die Südafrika-Variante - zusätzlich noch die sogenannte "E484K"-Mutation, die ebenfalls eine Änderung in der Spike-Domäne bewirkt. Dies beeinflusst die Bindung zwischen Erreger und Ziel laut ersten Erkenntnissen noch stärker. Diskutiert wird auch, "dass diese Viren vielleicht von den herkömmlichen Antikörpern nicht so gut erkannt werden können", so Bergthaler über einen möglichen Effekt dieser in der britischen "B.1.1.7"-Variation nicht vorhandenen Einzelmutation: "Daher könnte man auch davon ausgehen, dass das auch die Infektiosität und die Immunantwort beeinflusst."

Viele Experten blicken deshalb gerade auf die Situation im brasilianischen Manaus, wo davon auszugehen ist, dass im vergangenen Jahr laut Studien bereits bis zu 75 Prozent der Bevölkerung mit dem "Wildtyp" des Virus konfrontiert waren. Nun schwappt in der Amazonas-Metropole trotzdem erneut eine Infektionswelle hoch, die offenbar nicht durch die dort anzunehmende Herdenimmunität gestoppt wird. Welche Rolle hier P.1 spielt wird aktuell untersucht.

Frage der Reinfektionen ungeklärt

Eine Erklärung könnte etwa sein, dass jetzt ziemlich durchgehend jene Stadtbewohner infiziert sind, die es 2020 noch nicht waren. Es sei aber auch denkbar, dass die erste Infektion bei vielen Menschen dort bereits länger zurückliegt und sich das Immunsystem bei vielen sozusagen nicht mehr so gut an den Erreger erinnern kann. "Die dritte Spekulation ist, dass es jetzt vorwiegend die neue Variante ist und die Immunantwort von der ersten Infektion gegen eine Reinfektion mit der neuen Variante nicht hilft. Das ist aber noch nicht wirklich geklärt", sagte Bergthaler.

Für einen etwaigen, gesicherten Nachweis von P.1 in Österreich muss zumindest das Erbgut der gesamten Spike-Domäne analysiert werden. In einem neuen Forschungsverbund um die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) sowie Bergthalers Team wäre das nun einer Gruppe um Forscher vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW und dem Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) großflächiger und innerhalb von rund 24 Stunden möglich. Mit Ganzgenomsequenzierungen am CeMM ließe sich die Variante auch fassen. Hier dauert der Nachweis um die sieben Tage.

 

Überarbeitung des Impfstoffs von Oxford/AstraZeneca

Wissenschaftler der Universität Oxford überarbeiten den zusammen mit dem Konzern AstraZeneca entwickelten Corona-Impfstoff, damit dieser gezielt gegen die neuen, hochansteckenden Coronavirus-Mutationen eingesetzt werden kann, die in Großbritannien, Südafrika und Brasilien entdeckt wurden.

Das berichtet die britische Zeitung "Telegraph". Die Wissenschafter erstellen demnach eine Machbarkeitsstudie zur Umgestaltung des Impfstoffs.

 

Corona-Infektionen können zu Blutvergiftung führen

Experten in Deutshcland warnen unterdessen vor einer unerkannten Blutvergiftung, die mit einer Coronavirus-Infektion einhergehe. Viele an Covid erkrankte Menschen sterben nach Darstellung von Experten an der unerkannten Blutvergiftung (Sepsis). "Ein großes Problem ist, dass viele Patienten, die sich mit einer unkomplizierten Covid-19-Erkrankungen zu Hause kurieren wollen, nicht rechtzeitig bemerken, wenn diese in eine Sepsis übergeht", sagt der Chef der Sepsis-Stiftung, Konrad Reinhart, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

"Wer Anzeichen wie ein plötzliches extremes Krankheitsgefühl, Fieber, einen hohen Puls, Verwirrtheit oder Schüttelfrost bemerkt, sollte auf keinen Fall abwarten und sofort ein Krankenhaus aufsuchen oder den Notarzt rufen", so Reinhart. Es gäbe eine weit verbreitete Unkenntnis über Blutvergiftungen in der Bevölkerung, aber zum Teil auch beim medizinischen oder pflegerischen Personal.

Fast 97 Millionen Menschen mit Coronavirus infiziert

Weltweit haben sich seit Beginn der Pandemie mehr als 96,68 Millionen Menschen nachweislich mit dem Coronavirus angesteckt. Das ergibt eine Reuters-Zählung auf Basis offzieller Daten. Die Zahl der Todesfälle in Zusammenhang mit dem Virus steigt auf über 2,07 Millionen. Die mit Abstand meisten Infektionen verzeichnen die USA mit über 24,3 Millionen, gefolgt von Indien (10,6 Millionen) und Brasilien (8,6 Millionen).

Vereinfachte Zulassung auch für angepasste mRNA-Impfstoffe

Sollten die aktuellen mRNA-Impfstoffe nicht gegen neu auftretende SARS-CoV-2 Mutanten wirken, können sie in zwei Tagen daran angepasst werden, sagte der Wiener Mediziner Herwig Kollaritsch. "Dann wäre kein neues, gesondertes Zulassungsverfahren notwendig, sondern nur eine Änderung der Zulassung", erklärte er auf Anfrage der APA: "Wenn bereits eine Zulassung besteht und gewissermaßen nur ein Genstück ausgetauscht wird, sollte es mit der neuen Genehmigung recht schnell gehen".

Dies wäre dann ein sogenanntes "Mock-up-Verfahren" (Attrappen-Verfahren), so Kollaritsch, der am Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Meduni Wien arbeitet. Wie dieses funktioniert, wurde für Influenza-Pandemien festgelegt: Es wird ein "Mock-up"-Impfstoff entwickelt, der gegen irgendeinen Influenza-Stamm gerichtet ist, dem die Bevölkerung noch nicht ausgesetzt war. Denn man weiß schließlich nicht, welcher Stamm in Zukunft eine Pandemie auslösen könnte.

Kommt es zur Pandemie, dann erlaubt es das Lizenzverfahren, den Impfstoff mit dem tatsächlich für die Pandemie verantwortlichen Influenza-Stamm in einem beschleunigten Verfahren zuzulassen. Die übrige Zusammensetzung und Herstellung müssen freilich mit dem ursprünglich entwickelten Impfstoff ident sein. (Apa, Reuters)