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Ratloses Misstrauen gegenüber Vektorimpfstoffen

Von Cathren Landsgesell

Wissen
Warten auf die Impfungen mit dem Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson in Miami Beach, Florida.
© Chandan Khanna

Nach den Thrombosefällen bei AstraZeneca geraten die Vektorimpfstoffe unter Generalverdacht. Zu Recht?


Nun also auch Johnson & Johnson: "Bei dem Janssen-Impfstoff (das ist der Johnson & Johnson-Impfstoff - Anm.) wurden vier ernste Fälle von thromboembolischen Ereignissen berichtet, von denen einer tödlich verlief", schreibt die Europäische Arzneimittel Agentur EMA auf Nachfrage via E-Mail. Drei Fälle stammen aus den USA, wo der Impfstoff bereits im Einsatz ist. In den Fällen kam es auch zu der sehr seltenen Thrombozytopenie, berichtet die EMA. Das ist eine Thrombose, bei der zugleich ein Mangel an Blutplättchen beobachtbar ist. Ein Gerinnsel besteht fast nur aus Blutplättchen, daher ist dieses Phänomen außergewöhnlich. Auch bei AstraZeneca kommt es zu Thrombozytopenien. Der Zusammenhang mit den Impfungen hat nun unter anderem den Wiener Mediziner Markus Zeitlinger dazu gebracht, zu hinterfragen, ob die eigentlich sehr seltenen Sinusvenenthrombosen und die Thrombozytopenien etwas mit dem Impfstofftyp zu tun haben. Sowohl AstraZeneca als auch Johnson & Johnson und Sputnik sind sogenannte Vektorimpfstoffe.

Bestechendes Prinzip

Wie die mRNA-Impfstoffe legen Vektorimpfstoffe es darauf an, den Körper selbst das Antigen herstellen zu lassen, indem nicht mehr - wie bei den klassischen Impfstoffen - der Erreger selbst oder Teile davon verimpft werden, sondern nur noch die "Bauanleitung" für einen bestimmten Teil eines Erregers. Die Bauanleitung wird in der Regel in Form von DNA-Sequenzen in die DNA der Träger, der Vektoren, eingebaut. Als Träger setzt man zum Beispiel andere Viren ein. AstraZeneca, Johnson & Johnson und Sputnik verwenden verschiedene Adenoviren, das sind Erkältungsviren. Diese werden zuerst so verändert, dass sie sich nicht mehr vermehren können. Anstelle ihrer eigenen Erbinformation schleusen sie die "Anleitungen" für das Spikeprotein in die Zelle.

Sobald die Zelle das Spikeprotein produziert hat, werden durch das Immunsystem automatisch Antikörper gebildet, die dann auch "echte" Coronaviren, in dem Fall das Sars-Coronavirus-2, erkennen und blockieren können.

Was einfach klingt, ist nicht leicht. "Es steckt jahrzehntelange Forschung dahinter" sagt Anahita Fathi, die am Universitätsklinikum in Hamburg-Eppendof an einem vektorbasierten Impfstoff gegen Sars-CoV-2 forscht. "Das Prinzip aller Impfstoffe ist es, einen Weg zu finden, wie man Immunität herstellen kann, ohne mit dem Erreger selbst in Kontakt zu kommen. Vektorimpfstoffe sind hier eine attraktive Lösung", erklärt sie. Wie genau es zu den beschriebenen Thrombosen kommt, ist noch nicht ganz klar, meint die Wissenschafterin. "Es gibt Hinweise darauf, dass es sich bei einigen der Thrombosen, die im zeitlichen Zusammenhang mit dem AstraZeneca Impfstoff gesehen wurden, um eine Art Autoimmunreaktion handelt." Diese Art der Immunreaktion ist von anderen Vektorimpfstoffen, etwa gegen Ebola, so nicht bekannt.

Auch die EMA selbst kann sich derzeit nur auf die Vorkommnisse selbst beziehen: Aus den berichteten Fällen lässt sich nicht schließen, das es bestimmte Risikogruppen für die Thrombosen gibt. Dass Frauen unter 60 Jahren besonders betroffen sind, kann daran liegen, dass in einigen Ländern vor allem diese Gruppe den Impfstoff erhielt.

Die EMA berichtet von 62 Fällen einer Sinusvenenthrombose und 24 Fällen von Thrombosen im Bauchraum; 18 Fälle dieser Thrombosen verliefen tödlich bei insgesamt 25 Millionen verabreichter Impfungen. Sowohl die Niederlande als auch Frankreich und Deutschland haben die Verimpfung von AstraZeneca für unter 60-Jährige eingeschränkt. Frankreich will die zweite Dosis durch einen mRNA-Impfstoff ersetzen, obgleich es keinerlei Erfahrung gibt, welche Folgen dies haben könnte. Darauf weist die WHO in einer Aussendung hin.

Die Hamburger Arbeitsgruppe arbeitet nicht mit Adenoviren, sondern mit dem MVA-Virus, das selbst als Pockenimpfstoff bereits lang erforscht ist. Als die Corona-Pandemie begann, arbeitete Fathi gerade an einem Impfstoff gegen das Mers-Virus, ein Coronavirus wie Sars-CoV-2. "Das Gute an den Vektorimpfstoffen ist, dass man die Erbinformation des Erregers, gegen den man impfen möchte, relativ einfach austauschen kann", sagt Fathi. Das Team hatte auch bei dem Mers-Impfstoff die Erbinformation zu dem Spikeprotein erfolgreich in das MVA-Virus integriert und in klinischen Studien die Sicherheit belegt und eine gute Immunantwort auf den Impfstoff festgestellt. Nun setzten die Forscher statt der Anleitungen für das Mers-Spike jene für das Sars-CoV-2-Spike ein. "Wir wussten bereits, dass das Spike-Protein der Coronaviren eine gute Immunreaktion auslöst und so ging es viel schneller, als wenn man dies noch hätte erforschen müssen", so Fathi. So konnte das Team schon im Herbst 2020 den neuen Impfstoff an den ersten Probanden testen. Der Impfstoff ist gut verträglich, wie Fathi im Hinblick auf die bisherigen Ergebnisse sagt, allerdings fiel die Immunantwort nicht so stark aus, wie erhofft. Das Team ging noch einmal zurück an den Labortisch, um den Impfstoff zu verbessern. Die neuen Daten werden nun zeitnah ausgewertet.