Die Coronawellen haben die Grippewellen heuer regelrecht überschwappt. Influenza und andere Atemwegsinfektionen sind de facto vollständig ausgeblieben. Die Maßnahmen, die zur Eindämmung von Sars-CoV-2 gesetzt wurden, haben die Influenzaviren vor einer Verbreitung abgehalten. Die Erfahrungen zeigen allerdings, dass auf sehr schwache Grippewellen meist eine starke epidemische Aktivität folgt, heißt es in der aktuellen "Virusepidemiologischen Information" des Zentrums für Virologie der Medizinischen Universität Wien. Die Influenza könnte also in der nächsten Saison wieder massiver ausfallen.

Erstmals seit dem Beginn der Influenzaüberwachung in der Saison 1999/2000 in Österreich blieb die Grippesaison vollständig aus, heißt es in der Publikation. Während des gesamten Winters wurden nur zwei Proben positiv auf Influenzaviren getestet. Die Gründe dafür sind "letztlich alle auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie zurückzuführen", betont die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien. Und die Maßnahmen hatten einen ebensolchen Effekt auch auf viele andere über Tröpfchen und Aerosole übertragbare respiratorische Virusinfektion.

Tiefststände weltweit

Diese Entwicklung wurde weltweit beobachtet. So wurden auf europäische Ebene etwa während der vorletzten Wintersaison 2019/2020 im Rahmen der europäischen Influenzaüberwachung mehr als 17.600 Personen positiv auf das Influenzavirus getestet (Positivrate 34 Prozent). Dagegen konnten in der diesjährigen Saison in nur 41 von mehr als 41.000 untersuchten Proben Grippeviren nachgewiesen werden (Positivrate 0,1 Prozent).

Mit Beginn des ersten Lockdowns im März 2020 kam es demnach zu einem massiven Rückgang der auslaufenden Influenzaaktivität sowie zu einem abrupten Ende der Zirkulation von humanen Metapneumoviren, Respiratorischen Synzytial Viren (RSV) und Rhinoviren, also die gewöhnlichen Schnupfenerreger. Die Rhinovirusaktivität stieg mit der Lockerung der Maskenpflicht im Sommer wieder leicht und mit Schulbeginn im September sogar sprunghaft an. Mit der zweiten und dritten Pandemiewelle wurden dann allerdings wieder alle Hygienemaßnahmen eingeführt, "wodurch während der gesamten Wintersaison 2020/2021 nicht nur die Zirkulation der Influenzaviren ausblieb, sondern auch keine einzige Infektion mit RSV, humanen Metapneumoviren und Parainfluenzaviren nachgewiesen wurde", erläutert Redlberger-Fritz in dem Report.

Grippeimpfung empfohlen

Es sei zu bedenken, "dass somit in der Bevölkerung keine natürliche Boosterung durch Viruskontakte stattgefunden hat. Es ist daher möglich, dass mit Wegfall der Hygienemaßnahmen eine wieder einsetzende Virusaktivität mit einer starken epidemischen Welle einhergeht", betont die Virologin. Dies werde vermutlich für RSV zutreffen, denn die Erstinfektion mit dieser Virusgattung erfolge meist innerhalb des ersten Lebensjahres. Durch die ausgebliebene RSV-Aktivität hätten jedoch alle nach März 2020 geborenen Kinder keine Immunität gegen diesen Erreger. RSV ist ein weltweit vorkommendes Virus, das zu Atemwegserkrankungen führt sowie akute Bronchitis bei Säuglingen und Kleinkindern verursachen kann.

Ähnliches wie für RSV wird laut Redlberger-Fritz für die Influenza gelten. Dadurch komme auch in der kommenden Wintersaison der Influenzaschutzimpfung wieder eine große Bedeutung zu, so die Expertin. Seit dem vergangenen Jahr steht die Influenzaschutzimpfung in Österreich für Kinder von sechs Monaten bis 14 Jahren gratis im Rahmen des Kinderimpfprogramms zur Verfügung.