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Wie die Alpha-Variante Zeit schindet

Wissen

Eine britische Forschungsgruppe hat sich die Mutationen der Alpha-Variante abseits des Spike-Proteins angesehen, und festgestellt, dass diese Variante von Sars-CoV-2 eine erste Barriere des Immunsystems zeitweilig außer Kraft setzt. In dieser Zeit kann sich das Virus mehr oder weniger ungehindert vermehren. Die Forscher vermuten, dass dieser Eingriff in die Regulation der Immunantwort einer der Gründe ist, warum B.1.1.7, nunmehr Alpha genannt, sich seit Dezember letzten Jahres so schnell ausgebreitet hat und jetzt die dominierende Form des Coronavirus ist.

Interferon außer Kraft gesetzt

Wenn es zu einem Kontakt mit einem Erreger kommt, besteht eine der ersten Reaktionen des angeborenen Immunsystems darin, sogenannte Interferone zu bilden, die Bestandteile von Viren abbauen und die Bildung neuer Viren in den Zellen hemmen. Interferone gehören zu den Hormonen. Die Alpha-Variante setzt nun jene Proteine in den Zellen außer Kraft, die die Bildung von Interferon anregen.

Alpha bringt die Zellen dazu, vermehrt ein bestimmtes Gen, Orf9b, zu produzieren, das an dieser Signalkette beteiligt ist und, vermittelt über andere Proteine, letztlich dazu führt, dass genau jenes Protein in menschlichen Zellen blockiert wird, das die Ausschüttung von Interferon steuert. Das führt dazu, dass mit Alpha infizierte Zellen zunächst gar nicht reagieren.

Diese Zeit ist wertvoll für das Virus: "Es ist nicht erstaunlich, dass das Virus auch in die Regulation eingreift, weil es so seine Vermehrung verbessern kann", sagt Winfried Pickl, Immunologe der MedUni Wien, der nicht an der Studie beteiligt ist. "Es ist gut zu wissen, welche Wege das Virus sucht."

Die Wirksamkeit der Impfungen, die auf die Bildung von Antikörpern abzielen, stellt dieser Mechanismus nicht in Frage. Die Impfungen verlangsamten die Ausbreitung des Virus, eine Infektion immer verhindern können sie nicht.Vor dem Hintergrund der Mutationen sei es daher perspektivisch wichtig, eine sterilisierende Impfung zu entwickeln, die verhindert, dass es überhaupt  zu einer Infektion kommt, weil Antikörper das Virus abfangen, bevor es in die Zellen eindringt. Zuvor sei es noch entscheidend, dem Virus die Chancen zur Optimierung zu nehmen bzw. diese zu reduzieren - indem zum Beispiel möglichst viele Menschen geimpft sind.

Die Studie des University College London hat noch keinen Peer Review durchlaufen. (Cal)