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Lachgas gegen Depressionen

Wissen

Eine Phase-II-Studie zeigt, dass Distickstoffmonoxid auch psychische Schmerzen lindert.


Wer vor 1844 zum Zahnarzt ging oder vielmehr zu einem Zahnzieher, hatte besonders wenig zu lachen: Lachgas wurde vermutlich erstmals in dem Jahr zur Schmerzlinderung eingesetzt, obwohl seine beruhigende und schmerzstillende Wirkung bereits 45 Jahre zuvor beschrieben worden war. Die Anwendung von Lachgas gegen Depressionen scheint ein bisschen schneller Realität zu werden: Eine Forschungsgruppe um den Mediziner Peter Nagele konnte soeben die Ergebnisse einer Phase-II-Studie zur Wirkung von Lachgas bei Depressionen in dem Fachjournal "Science Translational Medicine" darlegen.

Kleine Dosis, lange Wirkung

Eine einzige einstündige Inhalationsbehandlung mit einer Mischung aus 25 Prozent Lachgas und 75 Prozent Sauerstoff reicht aus, um depressive Symptome zwei Wochen lang hintanzuhalten, so das Ergebnis.

Der an der Universität Innsbruck ausgebildete Anästhesist Peter Nagele konnte schon 2014 darlegen, dass Lachgas bei Depressionen hilft. Die damalige Mischung bestand jeweils zur Hälfte aus Lachgas und Sauerstoff, aber die Wirkung hielt nur 24 Stunden an. Nagele setzte nach diesen Erkenntnissen die Versuche fort, diesmal mit Erfolg.

Die Forscher der Washington University School of Medicine und der University konnten zeigen, dass die Lachgasbehandlungen vor allem bei Patienten wirksam sind, bei denen traditionelle Antidepressiva versagen. Die Teilnehmenden an dieser Studie hatten bereits im Durchschnitt 4,5 klinische Versuche mit Standard-Antidepressiva hinter sich - ohne dass sich ihre Symptome gebessert hätten. "Lachgas könnte bei Patienten mit wirklich schweren und anhaltenden Depressionen wirken", so der Psychiater der Charles R. Conway, einer der weiteren Autoren der Studie. Übliche Antidepressiva versuchen, über die Noadrenalin- und Serotonin-Rezeptoren im Gehirn Depressionen zu mildern. Diese Botenstoffe stehen im Zusammenhang mit Angst und Depression, aber auch mit Stresssymptomen und Burnout. Lachgas geht den Weg über die sogenannten NDMA-Glutamatrezeptoren. Während Antidepressiva oft Wochen brauchen, bis eine spürbare Wirkung eintritt, wirkt Lachgas, weil es die Signalübertragung der NDMA-Rezeptoren beeinflusst, schneller, innerhalb von wenigen Stunden. Eine Lachgasbehandlung kann daher ganz unmittelbar bei starken depressiven Symptomen helfen und besonders in akuten Krisen Abhilfe und Linderung verschaffen, so die Hoffnung der Wissenschafter.

Nagele hält es für möglich, dass das Verhältnis von Lachgas zu Sauerstoff entscheidend ist: Waren bei der hohen Dosierung mit 50 Prozent Lachgas noch bei einigen Patienten Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen oder Kopfschmerzen aufgetreten, so blieben die Patienten jetzt weitgehend davon verschont: "Wir fragten uns, ob unsere bisherige Konzentration von 50-prozentigem Lachgas zu hoch war und wir durch eine Senkung der Dosis den klinischen Nutzen maximieren und die negativen Nebenwirkungen minimieren könnten", erklärte Nagele gegenüber der APA.

Bei dieser neuen Studie erhielten dieselben 24 Patienten wie 2014 im Abstand von jeweils einem Monat drei Mal eine Inhalationssitzung. Sie bekamen entweder eine Mischung mit 50 oder 25-prozentigem Lachgas-Anteil oder ein Placebo. Bei der geringeren Dosierung trat nur ein Viertel der unerwünschten Nebenwirkungen auf. Die Forscher wollten insbesondere Schwindelgefühle vermeiden. Bei 85 Prozent der Teilnehmenden zeigte sich eine derart starke Verbesserung, dass ihre klinische Klassifizierung eine Kategorie verschoben werden konnte, sich also zum Beispiel von schwerer zu moderater Depression besserte.

Dass die Wirkung zwei Wochen lang anhielt, ist ein Ergebnis, das die Forscher überraschte. Sie hatten damit gerechnet, dass es etwa - wie bei früheren Studien - rund 24 Stunden sein würden. "Die deutliche Verringerung der Nebenwirkungen war unerwartet, aber noch aufregender war, dass die Effekte nach einer einzigen Verabreichung für zwei Wochen anhielten", sagte Nagele gegenüber der APA. Für die Forscher untermauern die Ergebnisse, dass nicht-traditionelle Behandlungen eine brauchbare Option für Patienten sein können, deren Depression nicht auf die üblichen Medikamente anspricht.(cal)