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COPD raubt die Luft zum Atmen

Von Alexandra Grass

Wissen
Physiotherapeut Martin Gütlbauer, Lungenfacharzt Milos Petrovic und Pneumologe Arschang Valipour betreuen Eberhard Jordan bei seiner Challenge (v. l. n. r.).
© Christoph Hopf

Die Lungenerkrankung ist tückisch, schleichend und lange Zeit unsichtbar. Eine Awareness-Kampagne soll informieren.


Man soll die Dinge nicht so tragisch nehmen, wie sie sind." Dieses Zitat von Karl Valentin begleitet Eberhard Jordan seit geraumer Zeit durchs Leben. Der 59-jährige Künstler, Buchautor und ehemalige Raucher leidet an COPD, einer chronischen Lungenerkrankung, die den Betroffenen die Luft zum Atmen raubt. Dennoch führt er ein "normales" Leben, wie er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" betont. Um auf die Krankheit, ihre Tücken, aber auch auf Möglichkeiten aufmerksam zu machen, besteigt er am 17. November, dem Welt-COPD-Tag, die 843 Stufen des Wiener Millennium-Towers. Die Erkrankung, die besonders unter Frauen zunimmt, ist bereits die dritthäufigste Todesursache in der westlichen Welt, warnt der Pneumologe Arschang Valipour von der Klinik Floridsdorf.

Zu wenig Sauerstofftransport

COPD (chronic obstructive pulmonary disease) beginnt oft schleichend. "Die Betroffenen merken gar nicht, dass sich die Lungenfunktion still und leise verschlechtert. Erst wenn ein wesentlicher Anteil der Lungenfunktion verloren ist, macht sich die Kurzatmigkeit im Alltag bemerkbar", skizziert der Mediziner. Sie ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen der westlichen Welt. Die meisten Betroffenen sind zwischen 50 und 70 Jahren alt. 80 Prozent von ihnen sind Raucher. Aber auch andere Schadstoffbelastungen, wie Passivrauch, chemische Substanzen oder Feinstaub können zur chronischen Lungenerkrankung führen.

Bei einer COPD sind die Atemwege ständig entzündet und verengt. Eine gesunde Lunge transportiert den Sauerstoff über Lungenbläschen ins Blut. Diese sind bei der Erkrankung allerdings teilweise zerstört und überbläht wie kleine Ballons. Dadurch kommt nicht genug Sauerstoff in den Körper. Die Folgen sind Atemnot, Husten und Auswurf.

War die Erkrankung vor 50 Jahren noch männerdominiert, so sind heute immer mehr Frauen davon betroffen. Valipour sieht das "als Spiegelbild der Entwicklung des Tabakkonsums". Schon die Lunge der jungen Frau sei wesentlich empfindlicher gegenüber Tabakrauch. Da derzeit die höchste Raucherrate bei Mädchen im Alter von 13 bis 16 Jahren liegt, werde das in der Zukunft noch viele potenzielle Auswirkungen haben, warnt der Mediziner. Frauen seien, was Schäden in der Lunge anbelangt, hormonell benachteiligt. Zudem wird die Erkrankung häufig sehr spät diagnostiziert, weil die Symptome oft nicht ernst genommen werden.

Auch Eberhard Jordan hat sie mit Anfang 40 vernachlässigt. "Ich habe es genauso wenig ernst genommen wie hunderttausend andere. Die Alarmglocken haben erst bei einem Aufenthalt auf der Intensivstation geschrillt. Man wird die Erkrankung nicht mehr los. Das muss man einsehen. Und dass ich loslegen muss, war mir dann klar."

Neben der Gabe bronchienerweiternder Medikamente sei Bewegung das Um und Auf, um wieder zu mehr Lebensqualität zu gelangen, betont Valipour. Die Schädigungen in der Lunge sind irreversibel und Heilung gibt es keine. Mit Training lässt sich sowohl eine Stabilität erreichen als auch die körperliche Verfassung verbessern.

Isolation von der Außenwelt

"Ich habe mit Krafttraining und spazieren gehen begonnen", schildert Eberhard Jordan. "Wenn nicht, gibt es nur zwei Optionen - das Sauerstoffwagerl oder die Waagrechte", bringt er es auf den Punkt. "Wenn ich beides nicht will, muss ich was tun", war sein Gedanke vor mittlerweile knapp 20 Jahren.

Dass es mit einem Luftvolumen von nur knapp 30 Prozent irgendwann einmal 843 Stufen am Stück werden, war ihm wohl lange nicht bewusst. "Diesen Status werde ich nicht mehr groß verändern können. Den Unterschied macht, wie man sich fühlt, wie viel Spaß man hat oder wie interessant man das Leben findet."

Viele Patienten würden sich von der Außenwelt zurückziehen und isolieren, erklärt Valipour. "Man ist nicht mehr so aktiv, man kann nicht mehr so einfach teilhaben am gesellschaftlichen Leben. Man geht beispielsweise nicht mehr beim Wandern mit, tanzt nicht mehr, geht weniger mit dem Hund spazieren, sondern lebt zurückgezogener und wird ein bisschen fauler. Und mit der Zeit hat das zur Folge, dass man bis zu einem gewissen Grad in einer sozialen Isolation endet. Und das gilt es, definitiv zu durchbrechen."

Die Covid-19-Pandemie hat diesbezüglich das Ihrige draufgesetzt. Speziell die Phasen des Lockdowns und die Einschränkungen in der Öffentlichkeit hätten bei vielen Patienten die Isolation verstärkt. So konnten sie etwa ihre Trainingseinheiten nicht mehr durchführen. Auch hätten viele Angst gehabt, sich selbst anzustecken. Bei eingeschränkter Lungenkapazität kann eine Infektion einen schweren Verlauf nehmen. Ein weiterer Wermutstropfen sei, dass viele Betroffene erst später diagnostiziert wurden, da es vor allem in der ersten und zweiten Welle zu Barrieren im Zugang zum Gesundheitsbereich gekommen war.

Die vergangenen Jahre "waren eine spezielle Situation", merkt auch Jordan an. "Das ganze Umfeld hat begonnen, narrisch zu werden. Das hat zu Verunsicherung geführt."

Die Awareness-Kampagne myCOPD-Challenge, deren Highlight die Besteigung des Millennium Towers und für Westösterreich der Berg-Isel-Schanze in Innsbruck sein wird, soll Aufmerksamkeit erregen für diese Erkrankung. Allein in Österreich sind immerhin rund 400.000 Menschen erkrankt. Und die Dunkelziffer ist deutlich höher.

Beschwerden ernst nehmen

Es sei wichtig, auf drei Dinge hinzuweisen, betont Valipour: COPD sei eine häufige Erkrankung, die oftmals nicht diagnostiziert ist und in Folge auch oft erst behandelt wird, wenn ein Teil der Lungenfunktion schon verloren gegangen ist. Zudem sei körperliche Aktivität wichtig, auch wenn man die Erkrankung bereits hat. Letzten Endes sei es auch essenziell, trotz Pandemie chronische Beschwerden wie Husten, Auswurf und Kurzatmigkeit ernst zu nehmen. "Das sind Frühzeichen und je eher man COPD entdeckt, umso besser lässt sie sich behandeln."

"Man muss den Willen zum Leben haben und sich nicht aufgrund von Müdigkeit hängen lassen", so Eberhard Jordan.