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Ungewöhnlich früh und heftig

Von Alexandra Grass

Wissen

Die Pollensaison hat heuer bereits im Februar begonnen. Experten erwarten eine besonders starke Belastung.


Hasel, Erle, Esche, Birke - das sind die ersten Sträucher und Bäume, die für gewöhnlich im Frühling beginnen, ihre Pollen an den Wind abzugeben. Die Belastungswelle für Allergiker fällt Jahr für Jahr unterschiedlich aus, je nachdem, wann und wie stark die Blüte einsetzt. Heuer ist das nicht nur viel früher der Fall, sondern auch viel intensiver, warnt der Österreichische Pollenwarndienst.

Neben den pandemiebedingt verschärften Bedingungen traten die Belastungen für die Pollenallergiker dieses Jahr aufgrund der überdurchschnittlich milden Temperaturen im Jänner und Februar viel früher auf. "Der Pollenflug von Hasel und Erle setzte sehr plötzlich ein. So gaben die Bäume und Sträucher überdurchschnittlich viele Pollen an den Wind ab", erläutert Uwe Berger von der Medizinischen Universität Wien und Leiter des Pollenwarndienstes.

Die nächste Belastungswelle soll schon in den nächsten Tagen mit Esche und Birke folgen. Auch ihre Blüte wird heuer intensiver ausfallen, schätzt der Allergologe. Der weitverbreitete Alleebaum habe ein biologisches Muster: Einer schwächeren Saison folgt eine starke. "Nachdem 2021 eine eher milde Saison war, müssen wir heuer mit einer starken Pflanzenblüte rechnen. Dies zeigt auch der Besatz an Birkenkätzchen, der heuer überdurchschnittlich stark ist", so Berger.

Eine Million Allergiker

Die dritte Belastungswelle wird üblicherweise durch blühende Gräser verursacht. Korbblütler, Ragweed und Beifuß bilden zumeist den Abschluss der Pollensaison. Wiewohl noch im Dezember mit der Blüte der Purpurerle zu rechnen ist, erklären die Experten des Pollenwarndienstes. Sie hat sibirische Gene und ist dadurch winterresistent.

In Österreich sind etwa eine Million Menschen von diesen Allergieauslösern betroffen. Nun sollen neue Maßnahmen Verbesserungen in der Diagnose und der Therapien von Pollenallergien bringen.

Covid-19 führte in vielen Bereichen zur Veränderungen in der medizinischen Versorgung und machte auch vor der Allergie nicht halt, betont Erika Jensen-Jarolim vom Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung an der MedUni Wien und Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI). Bei vielen Patienten kam die wichtige allergen-spezifische Immuntherapie (AIT) deutlich weniger zum Einsatz.

Sie sei allerdings die einzige Behandlungsform, die ursächlich wirkt und das Potenzial hat, die Entstehung von Allergien zu verhindern. Es gelte, Patienten frühzeitig zur Diagnose und Therapie zuzuführen. Das sei auch deshalb wichtig, weil gerade Pollenallergien auch aufgrund des Klimawandels seit Jahren zunehmen und die Luftverschmutzung das allergene Potenzial der Pollen verstärkt.

Einer EU-weiten Befragung unter Ärzten zufolge, wandte nur einer von zehn Ärzten während der Corona-Pandemie die AIT-Injektionskur wie gewohnt an. Fast 60 Prozent gaben an, den Beginn der Therapie auf einen Zeitpunkt nach der Pandemie verschoben zu haben. Etwas besser war die Situation bei der AIT in Form von Tabletten oder Tropfen.

Inzwischen habe sich die Lage zwar gebessert, doch den entstandenen Rückstau spüren die Behandler und Patienten nach wie vor", erklärt Wolfram Hötzenecker vom Kepler Universitätsklinikum in Linz.

Um Verbesserungen in der Diagnose und Therapie zu erreichen, wurden beim Österreichischen Pollenwarndienst neue Services für Ärzte und Patienten gestartet. "Über die Plattform www.pollenallergie.at können behandelnde Ärzte auf Symptom-Informationen ihrer Patienten zugreifen und eine Verbindung zum Pollenflug in der jeweiligen Region der Betroffenen herstellen", erklärt Berger. Basis dafür sind regelmäßige Einträge der Patienten zu ihren Beschwerden in das Pollentagebuch, das auf www.pollentagebuch.at zu finden ist und Teil der Pollen-App ist. Mit den Daten könne auch über die Jahre der Behandlungserfolg evaluiert werden, so Hötzenecker.

Copernicus unterstützt

Auch "Copernicus", das satellitengestützte Erdbeobachtungsprogramm der Europäischen Union, arbeitet mit den Daten des Österreichischen Pollenwarndienstes. Copernicus liefert kontinuierliche Daten und Informationen unter anderem über Wetter sowie Klima und stellt diese kostenlos zur Verfügung. Die angebotenen Informationsdienste sind für alle Nutzer frei zugänglich.

Aktuell wird ein neues Modell konzipiert, das Symptom-, Pollen- und Luftqualitätsdaten für jeden einzelnen Benutzer berechnen kann und somit eine individuelle Prognose möglich macht. Diesen Service bietet der Pollenwarndienst zwar schon seit ein paar Jahren an. Mithilfe der automatisierten Echtzeitdaten und der hochauflösenden Satellitenbilder von Copernicus, die Anzahl und Zustand von pollenstäubenden Bäumen und Sträuchern erkennen, kann die Prognosequalität aber weiter verbessert werden. Dieses Projekt sei wegweisend für die Polleninformation der nächsten Jahrzehnte.

Neue Ausbildung

Mit der kontinuierlichen Zunahme an Pollenallergikern wächst auch der Bedarf an Spezialisten, die sich mit der Diagnose und Behandlung dieser Erkrankung auch auskennen. Die neue, fächerübergreifende Ausbildung "Spezialisierung in Allergologie" soll hier künftig Abhilfe schaffen. Ab Sommer 2022 können Fachärzte und Allgemeinmediziner mit der 18 Monate dauernden Weiterbildung beginnen. "Ein Lichtblick für die wachsende Zahl an Allergikern in unserem Land, die fachkundige Ärzte dringend braucht", betont Wolfram Hötzenecker.