Menschen, die zweifach geimpft sind und sich mit dem Coronavirus infizieren, haben möglicherweise ein nur halb so großes Risiko, an Long Covid zu erkranken, wie nicht geimpfte Menschen. Das berichtete Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) kürzlich vor den Gesundheitssprecherinnen und -sprechern der Parlamentsparteien unter Berufung auf eine aktuelle Meldung von Medizin Transparent/Cochrane Österreich an der Donau-Universität Krems.
"Wir wissen inzwischen schon viel mehr über diese komplexe Erkrankung, aber bei weitem noch nicht alles. Es gibt weit über 200 Symptome, die sehr vielfältig sind - eines, mit dem viele Betroffene zu kämpfen haben, ist das Erschöpfungssyndrom", sagte Rauch bei dem "Long Covid"- Update. Es handle sich um eine "lebensverändernde Erkrankung", die bis vor der Pandemie noch sehr wenig erforscht gewesen sei. "Auf Grund der Heterogenität dieses Symptomenkomplexes ist Long Covid vielfach noch eine Unbekannte - die Menschen brauchen Antworten, diese Botschaft ist bei mir angekommen", betonte Rauch im Anschluss an das Treffen.
Versorgungspfad für Long-Covid-Betroffene
Der Gesundheitsminister betonte, die Meldung von Medizin Transparent/Cochrane Österreich sei eine gute. "Denn wir sehen einmal mehr: Die Impfung wirkt", so Rauch. Er habe den Vertreterinnen und Vertretern der Parlamentsparteien einen Überblick über die Schritte gegeben, die Long-Covid-Betroffenen helfen sollen. Als Beispiel nannte er einen Versorgungspfad, den das Ministerium mit den Ländern und Sozialversicherungen erarbeitet habe und der vergangenen Oktober beschlossen worden sei. Die Behandlung von Personen mit Long-Covid-Symptomen werde demnach vorrangig und niederschwellig von der Primärversorgung wahrgenommen.
Dafür sei auch im Sommer die Erstellung der S1-Leitlinie der Österreichische Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) zu Long-Covid vom Gesundheitsministerium unterstützt worden. Diese Leitlinie werde derzeit aktualisiert und auf den neuesten Wissensstand betreffend Long-Covid gebracht. Darin sind die Abklärung von Symptomen und deren adäquate Versorgung dargestellt. Dazu fördert das Gesundheitsressort nach eigenen Angaben ein Online-Tool, mit dem Hausärzte besser mit der Erkrankung, ihrer Diagnose und bei ihrer Behandlung unterstützt werden sollen.
Der Oberste Sanitätsrat im Gesundheitsministerium beschäftigt sich in einer eigens konstituierten Arbeitsgruppe mit dem Thema Long-Covid. Die Gesundheit Österreich (GÖG) soll das Problem Long-Covid erfassen und Lücken in der Versorgung identifizieren. Das soll in einem Informationsangebot an die Bevölkerung münden.
Mortalität bei Älteren stieg 2021 trotz strengerer Maßnahmen
Gegenüber 2020 verstarben in Europa 2021 durchschnittlich mehr Über-65-Jährige in Zusammenhang mit Corona, während die Strenge der Maßnahmen gegen Ansteckung stieg, so die Austrian Health Academy. In Österreich war die Mortalität dieser Altersgruppe etwas erhöht. In beiden Jahren wurde zudem in allen Ländern eine generelle Übersterblichkeit beobachtet, mit dem Peak im ersten Corona-Jahr. Im Vergleich zu Vor-Covid (2016-19) betrug sie hierzulande aber immer noch 6,8 Prozent.
"Wir konnten zeigen, dass die seit zwei Jahren bestehende Corona-Pandemie ein Gesundheitsrisiko für Non-Covid-19-Patientinnen und -Patienten darstellt", so die Studienautoren Maria M. Hofmarcher, Johannes Wüger und Ludwig Kaspar. "Die Impfung dämpfte das Niveau der Übersterblichkeit in allen Ländern signifikant. In einigen Ländern, darunter in Österreich, war sie jedoch weiterhin deutlich positiv, sowohl für Menschen, die nicht an Covid-19 erkrankt waren, als auch für Covid-19-Patientinnen und -Patienten, wenngleich auf sichtbar geringerem Niveau als 2020."
"Winter is coming"
"Während die Impfung ein 'Game Changer' in zwei Jahren Pandemie ist, haben einige Länder - darunter Österreich - die große Herausforderung, das Pandemiemanagement zu verbessern, den Maßnahmenmix zu optimieren, und gleichzeitig den Impfschutz deutlich auszuweiten", so das Expertenteam. "Stichwort: Winter is coming."
Einige Hauptaussagen der aha-Studie: Österreich verzeichnete demnach auch 2021 Übersterblichkeit - und zwar insbesondere bei Personen, die nicht an Covid-19 erkrankt waren. Die Position verschlechterte sich im internationalen Vergleich: Im vergangenen Jahr war das durchschnittliche Niveau der Übersterblichkeit deutlich geringer und in einigen Ländern nicht mehr erkennbar. In Österreich gab es weiterhin Übersterblichkeit, sowohl bei Covid-19- als auch bei allen anderen Todesfällen, analysierte die Austrian Health Academy.
Die Covid-19-Mortalität stieg in der älteren Bevölkerung 2021 demnach leicht an gegenüber 2020, trotz strengerer Maßnahmen. Auch im Durchschnitt über alle EU-Länder plus UK sei ein Anstieg erkennbar, die Muster seien aber sehr unterschiedlich. In Österreich sei die Immunisierung durch Impfung "unterdurchschnittlich". Statistisch zeige sich, dass hohe Durchimpfung Intensivstationen entlaste und die Non-Covid-19-Mortalität senke.
Bei einem einmaligen, zehnprozentigen Anstieg der Intensivauslastung durch Covid-Kranke seien im Vergleich zur Mortalität zwischen 2016 bis 2019 durchschnittlich 0,9 Prozent mehr an Non-Covid-Todesfällen zu erwarten. Während in Österreich 2020 die Übersterblichkeit ohne Covid auf Rang sieben unter den betrachteten Ländern war, rückte es 2021 auf Rang vier, nach Italien und vor Deutschland, Frankreich und Spanien.
In Deutschland Sterblichkeit verdoppelt
In Deutschland verdoppelte sich die Sterblichkeit ab 65 Jahren ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau 2020 bei strengeren Maßnahmen als in Österreich. Frankreich konnte bei moderat strengeren Maßnahmen die Mortalität 2021 etwas senken, in Italien sei mit strengem Regime ein erkennbarer Rückgang erreicht worden sei. Das Vereinigte Königreich verzeichnete einen leichten Anstieg der 65+Mortalität in Kombination mit moderat stärkerer Strenge an Maßnahmen. Die Covid-19-Sterberate der Bevölkerung 65+ in der Tschechischen Republik und in Polen war gegenüber 2020 mehr als doppelt so hoch. Unter anderem dürfte dies auf niedrigere Immunisierungsraten durch Impfungen in jenen Ländern zurückgehen, schreiben die Experten.
Trotz höherer Impfraten in Deutschland und in Österreich starben bis Jahresende 2021 anteilig mehr Personen in der Altersgruppe 65+ als 2020. In beiden Ländern war ein Großteil der Covid-19-Todesfälle in Alters- und Pflegeheimen zu verzeichnen. (apa)