Akute Leberentzündung mit Gelbsucht, stark erhöhte Leberwerte, Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen. Was nach Hepatitis klingt, bleibt nach einem Auftreten dieser Krankheitszeichen bei insgesamt 169 Kindern in elf Ländern nach wie vor ein Rätsel. Denn klassische Hepatitisviren (von A bis E) sind als Auslöser bereits ausgeschlossen worden. Dass es sich dabei um eine Infektion handelt, gilt derzeit als die wahrscheinlichste Möglichkeit. Neben Viren und Bakterien wird aber auch auf Umwelteinflüsse intensivst untersucht. Die Anzahl der Fälle sei laut Experten der Weltgesundheitsorganisation noch nicht ungewöhnlich, dennoch sind Kinderärzte zur Vorsicht aufgerufen.
Zuletzt hatten Virologen das Adenovirus bei 74 Kindern nachgewiesen. Genau genommen "handelt es sich um den Adenovirussubtyp 41", erklärt Judith Aberle von der Medizinischen Universität Wien im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Solche Infektionen kommen vor allem bei Kleinkindern häufig vor und führen bei zuvor Gesunden normalerweise nur zu leichtem Durchfall und Erbrechen, jedoch selten zu schweren Komplikationen.
Adenoviren zirkulieren stark
Der Nachweis von Adenoviren sei nicht ungewöhnlich, "weil besonders in den Ländern, aus denen gehäuft Fälle gemeldet wurden (aus Großbritannien und den Niederlanden) das Virus derzeit stark zirkuliert und viele Kinder eine Infektion durchmachen", betont Aberle. Diesen Erreger "kann man zudem lange nachweisen. Es zeigt sich ein zeitlicher Zusammenhang, aber es ist nicht bewiesen, dass es auch einen kausalen Zusammenhang gibt."
Möglich sei auch eine neue Virusvariante von Sars-CoV-2 oder das Zusammenwirken von mehreren Faktoren, so weitere Hypothesen der Experten. Nicht auszuschließen ist auch eine postinfektiöse Autoimmunantwort. Oft lassen sich Erreger nach überstandenen Infektionen gar nicht mehr nachweisen, weiß die Virologin. Dennoch könne das Immunsystem darauf reagieren und eine akute Leberentzündung könnte die Folge sein.
In 20 Fällen ist eine aktuelle oder vorangegangene Corona-Infektion bestätigt, 17 Kinder haben eine Lebertransplantation benötigt und ein Kind ist an der Erkrankung verstorben, so die Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die meisten Kinder sind zwischen zwei und fünf Jahren alt, das jüngste ein Monat und das älteste 16 Jahre. Wie die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC am Montag vermeldete, ist die Daten- und Meldelage in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich, es könne daher auch eine Unterschätzung der tatsächlichen Zahlen vorliegen.
Auf Alarmsignale achten
Thomas Müller, Leiter der Innsbrucker Kinderklinik, rät Eltern, auf Alarmsignale zu achten. "Ein spezifisches Symptom ist, wenn das Augenweiß gelb wird", sagte er am Dienstag im Ö1-"Morgenjournal". Auch bei Übelkeit, Erbrechen und schlechtem Allgemeinzustand sollte man zumindest den Haus- oder Kinderarzt kontaktieren.
"Das Besondere ist, dass wir keine Ursache finden können - zumindest keine gängigen, um diese Symptome zu klären", betonte Andreas Vecsei, Leiter der Ambulanz für Hepatologie am St. Anna Kinderspital, wo derzeit zwei erkrankte Kinder überwacht werden, in "Wien Heute".
Die aufgrund der Coronapandemie aktuell erhöhte Aufmerksamkeit für Krankheitssymptome, bringe auch Fälle zutage, die unter normalen Umständen gar nicht gemeldet werden. Denn laut Epidemiegesetz sind nur infektiöse Leberentzündungen der Typen Hepatitis A, B, C, D und E meldepflichtig. Derzeit sei es wichtig, die Situation genau zu beobachten und die gesamte Bandbreite von molekularen und serologischen Untersuchungen einzusetzen, um die Ursache der Erkrankungen zu finden, denn es sei nicht ausgeschlossen, dass noch mehr Kinder erkranken und zum "Verdachtsfall Hepatitis mit unklarer Ursache" werden.
Übrig bleiben Fragen über Fragen, die derzeit von Forschern und Medizinern länderumspannend abgeklärt werden.