In gesunden Zellen wird das Erbgut (DNA) mit Hilfe von Proteinen zu Schleifen gefaltet und verpackt. Forscher des Instituts für molekulare Pathologie (IMP) in Wien berichten nun im Fachjournal "Pnas", dass die Bildung dieser DNA-Schleifen durch Mutationen beeinträchtigt werden kann, die auch bei der neurologischen Entwicklungsstörung "Cornelia-de-Lange-Syndrom" (CdLS) auftreten. Sie vermuten, das dies eine der Hauptursachen für diese Störung sein könnte.

Das Cornelia-de-Lange-Syndrom (CdLS) ist durch angeborene Fehlbildungen gekennzeichnet, die oft mit einer kognitiven Beeinträchtigung einhergehen. Betroffen ist eines von 10.000 bis 30.000 Neugeborenen. Die genaue molekulare Ursache des Syndroms ist noch unklar. Es wird angenommen, dass es durch Aktivierung der Entwicklungsgene zum falschen Zeitpunkt und in der falschen Intensität entsteht.

die NIPBL-Mutationen

Die aufgerollt rund zwei Meter lange DNA wird u.a. mit Hilfe des ringförmigen Proteinkomplexes Cohesin platzsparend in Schleifen gelegt - nicht nur, damit sie in den Zellkern passt, sondern auch um entfernte Bereiche einander anzunähern und die korrekte Aktivierung von Genen zu kontrollieren. Eine wichtige Untereinheit von Cohsin ist das Protein NIPBL.

Weil bei etwa 70 Prozent der am Cornelia-de-Lange-Syndrom Erkrankten NIPBL-Mutationen nachgewiesen werden, fragte sich ein Team um IMP-Chef Jan-Michael Peters, ob Mutationen in NIPBL Defekte bei der Bildung von DNA-Schleifen verursachen. Mit einer speziellen Methode beobachteten sie den Prozess auf Einzelmolekülbasis in Echtzeit und fanden heraus, dass sechs NIPBL-Mutationen tatsächlich die Aktivität von Cohesin beeinträchtigen. Dies legt nahe, dass Mängel in diesem Prozess ursächlich zum CdLS beitragen können, indem die Wechselwirkungen zwischen Entwicklungsgenen und ihren Verstärkern (Enhancern) verändert wird, schreiben die Forscher in ihrer Arbeit.

"Defekte in der Cohesin-vermittelten Schleifenbildung könnten eine Ursache oder vielleicht sogar die Hauptursache für menschliche Entwicklungsstörungen, einschließlich des Cornelia-de-Lange-Syndroms, sein", erklärte Peters auf der Website des Instituts. Diese Erkenntnis eröffne zwar keine neuen Behandlungsmöglichkeiten für CdLS-Patienten, doch jede Information über die Ursachen dieser Krankheit könne in Zukunft hilfreich sein. Weil das Cornelia-de-Lange-Syndrom die gleichen Symptome wie viele andere neurologische Entwicklungsstörungen aufweist, könnten die Erkenntnisse auch Aufschluss über die Ursachen anderer verwandter Störungen geben. (apa)