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Plötzlicher Kindstod geklärt

Von Alexandra Grass

Wissen
© stock.adobe.com / DEWI-Stockphotos

Australische Forscher nennen ein Enzym als Ursache für den Atemstillstand bei Säuglingen.


warum völlig gesund wirkende Säuglinge plötzlich versterben können, ist seit jeher ein Mysterium. Der Plötzliche Kindstod - auch SIDS (Sudden Infant Death Syndrom) genannt - kommt zwar selten vor, doch für die betroffenen Eltern ist es ein Schock sondergleichen. Australische Wissenschafter haben nun offenbar den Auslöser für diese Todesursache entdeckt, wie sie im Fachblatt "The Lancet eBioMedicine" berichten. Künftig könnte das Risiko schon frühzeitig erkannt und damit auch gehandelt werden.

Das Team um Carmel Therese Harrington des Kinderkrankenhauses Westmead in Sydney hat einen Biomarker entdeckt, der Ausschluss darüber geben könnte, ob ein Säugling gefährdet ist. Es handelt sich um das Enzym Butyrylcholinesterase, das in der Leber produziert wird und für die Kommunikation im Gehirn eine wichtige Rolle spielt. Zu wenig von ihm könnte den Erregungsweg zwischen Atmung und Schlaf beeinflussen, betonen die Wissenschafter.

Niedriger Wert

Der Plötzliche Kindstod tritt normalerweise im Schlaf auf. Deshalb hat es in der Vergangenheit schon Vermutungen gegeben, dass ein Teil im Gehirn der Babys, das die Erregung aus Schlaf und Atmung steuert, mitverantwortlich sein könnte. Denn gesunde Babys wachen auf, wenn die Atmung aussetzt. Beim Plötzlichen Kindstod ist das allerdings nicht der Fall. So war man davon ausgegangen, dass ein Defekt den von Natur aus üblichen Vorgang verhindert.

In ihrer Studie fanden die Forscher nun heraus, dass die Konzentration des besagten Enzyms in den Tagen unmittelbar nach der Geburt bei jenen Säuglingen, die später verstarben, deutlich niedriger war als bei Säuglingen, die überlebten, aber auch bei jenen, die aus anderen Gründen verstarben.

Die Schlafforscherin untersuchte Blutproben von mehr als 60 verstorbenen Babys. Diese hat sie mit Proben gesunder Kinder verglichen. Dabei zeigte sich ein signifikant niedrigerer Wert des Enzyms.

"Obwohl wir über 600 Kontrollgruppen ausgewertet haben, wissen wir allerdings nicht, wie häufig diese Anomalie in der Allgemeinbevölkerung vorkommt. Doch mit zukünftigen Tests an einer größeren Zahl von Kindern wird das klarer werden", so die Medizinerin.

Gefährdet sind vor allem Säuglinge, die auf dem Bauch schlafen, zu früh geboren wurden oder bei der Geburt ein geringes Gewicht hatten. Aber auch jene, die auf einer zu weichen Unterlage schlafen oder SIDS schon in der Familie - etwa bei Geschwistern - schon vorgekommen ist.

Screening-Tests

SIDS ist üblicherweise eine Ausschlussdiagnose, was bedeutet, dass Todesfälle nur dann als solche bezeichnet werden, wenn keine andere Todesursache festgestellt werden kann, heißt es in der Studie. Ein niedriger Butyrylcholinesterase-Spiegel kann zu einem Status der Gefährdung führen.

Das Forscherteam will nun einen Screening-Test erarbeiten, um Risiko-Babys zu finden und Vorkehrungen treffen zu können. Manche Säuglinge werden auch mit Atemüberwachungsgeräten ausgestattet.

Jüngste Forschungsergebnisse deuten auch darauf hin, dass das Enzym bei neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer oder Multipler Sklerose eine Rolle spielen könnte.

Die aktuelle Studie war erst durch Crowdfunding möglich geworden. Denn obwohl dem Team die Forschungsgelder ausgingen, wollten sie ihre Untersuchungen weiterführen, um den Ursachen auf den Grund zu gehen.