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Gegen die Vergesslichkeit

Von Alexandra Grass

Wissen

Experten präsentierten ein "Weißbuch Alzheimer" mit Handlungsaufforderungen.


Vergesslichkeit ist wohl das wichtigste und auch erste Symptom der Alzheimer-Demenz. Allerdings auch ein Symptom von vielen anderen möglichen Erkrankungen. Diese reichen von Depression bis hin zu Vitaminmangel. Die Früherkennung stellt daher eine gewisse Herausforderung für die Mediziner dar, dennoch ist sie das wichtigste Mittel, um ein Fortschreiten von Alzheimer zu verlangsamen, Therapien gezielt einsetzen zu können oder Präventionsschritte zu setzen. Zu diesem einhelligen Tenor kommt ein Expertenteam, das in einem am Dienstag präsentierten "Weißbuch Alzheimer" Perspektiven aufzeigt, aber auch Handlungsempfehlungen an die Gesundheitspolitik richtet.

Gegenwärtig sind Schätzungen zufolge in Österreich mehr als 147.000 Menschen von Demenz betroffen. Bis zum Jahr 2050 könnte die Zahl der Erkrankten bereits auf 262.000 steigen. Die meisten von ihnen, nämlich etwa zwei Drittel, leiden unter Morbus Alzheimer.

Es ist keine normale Begleiterscheinung des Alters. Im Krankheitsverlauf sterben immer mehr Nervenzellen ab beziehungsweise degenerieren. Die Krankheit des Vergessens lässt sich weder heilen noch stoppen. Sind Nervenzellen einmal untergegangen, können sie nicht wiederhergestellt werden. Sowohl krankhaft veränderte Tau-Proteine als auch Ablagerungen von veränderten Eiweiß-Bruchstücken, den sogenannten Amyloid-Beta-Plaques im Gehirn, führen zu den vielbefürchteten Funktionsstörungen und dem Tod der Nervenzellen.

Selbsttest als Erstabklärung

Medikamente und andere nicht-medikamentöse Interventionen können allerdings den Verlauf der Erkrankung verlangsamen und die Symptome mildern. Daher sei eine frühzeitige Diagnose von großer Bedeutung, betonte der Neurologe und Präsident der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft, Peter Dal-Bianco. Da der Zeitraum zwischen den ersten Symptomen und der Diagnose allerdings oft zu lange dauert, vergehe wertvolle Therapiezeit.

Für die Diagnose wirft der Arzt für gewöhnlich seinen ersten Blick auf das Kurzzeitgedächtnis eines Patienten. Eigene Tests in Form von Fragebögen könnten schon Aufschluss geben, erklärt Dal-Bianco, der auf einer eigenen Homepage einen anonymen und kostenlosen Selbsttest anbietet. Bei Alzheimer-Patienten sind in weiteren Stadien der Erkrankung unterschiedliche Gedächtniseinbrüche zu erkennen. "Das biografische Gedächtnis ist ebenso wie das Ultrakurzzeitgedächtnis lädiert. Die Patienten stellen immer wieder dieselben Fragen und langsam geht auch das Schulwissen verloren. Das Narrative nimmt zu", erklärt der Mediziner.

Derzeitige Therapien zielen darauf ab, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Doch möglicherweise stehe schon die erste Kausaltherapie vor der Türe - nämlich eine Therapie nicht nur gegen die Auswirkungen, sondern auch die Ursachen der Erkrankung. So wurde erst kürzlich in den USA in einem Schnellverfahren ein monoklonaler Antikörper zugelassen, der die mit Alzheimer verbundenen Ablagerungen von Beta-Amyloid-Eiweißstoffen verringern. Mittels einer monatlichen Infusion lassen sich die Plaques "aus dem Gehirn herauslösen", so Dal-Bianco.

In Europa sei man allerdings mit der Zulassung zögerlicher, da noch nicht bewiesen ist, dass es den Patienten dadurch besser geht. Eventuell könnten diese monoklonalen Antikörper auch schon in früheren Stadien gut eingesetzt werden.

Bei Alzheimer dauert es etwa 20 Jahre, bis es sich mit Symptomen manifestiert. Könnte man in dieser Zeit die schädlichen Ablagerungen im Gehirn schon verhindern, komme es vielleicht gar nicht zu ernsthaften Krankheitszeichen.

Prävention verhindert

Bis zu 40 Prozent der Demenzerkrankungen könnten durch Prävention verhindert werden. Dazu zählt: kein Rauchen, keinen bis wenig Alkohol, Vermeiden von Erschütterungen des Kopfes (Anm. Köpfeln oder Boxen), gesunde Ernährung sowie körperliche und geistige Aktivität bis ins Alter.

In dem vom Pharma-Unternehmen Biogen Austria initiierten Weißbuch fordern die Experten von der Politik unter anderem spezialisierte Zentren für die Früherkennung, Differenzial-Diagnose und Therapie von Demenzerkrankten. Zudem eine bessere Förderung von Prävention im Gesundheitssystem.