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Schlank und ungesund

Von Verena Franke

Wissen

Gewichtsabnahme-Obsession in Sozialen Medien bringt gesunde Menschen zum Einnehmen von Diabetes-Medikamenten.


Vielleicht ist es Elon Musk trotz seines Reichtums nicht anders ergangen als Ottonormalverbraucher. Und Kim Kardashian ebenso, als sie sich in ein zu enges Kleid quetschen wollte - natürlich zu einem besonderen Anlass. Ist es bei uns ein Kleid vor der Ballsaison, so handelt es sich bei der Influencerin um das Originalkleid von Marilyn Monroe, das sie bei der diesjährigen Met Gala tragen wollte - und das schließlich auch perfekt passte. Elon Musk hingegen wurde im August Ziel von Verächtlichmachungen in den Sozialen Medien und auch öffentlich von seinem Vater, als er in einer Badehose, sozusagen oben ohne, abgelichtet wurde. Nun, ein paar Kilo vom Wunschgewicht entfernt, sollte für diese Celebrities wohl kein Problem sein: Ein eigener Koch, ein eigener Fitnesstrainer und schon purzeln die Kilos. Möchte man meinen.

Doch es geht auch anders: Zurzeit nimmt ausgehend von den sozialen Netzwerken in den USA ein neuer Trend rasant an Fahrt auf, der die Gewichtsabnahme-Obsession forciert: Nun nehmen gesunde Menschen Medikamente für die Blutzuckerstabilisierung bei Typ-2-Diabetes, jedoch um Gewicht zu verlieren. Es sind dies Ozempic und Wegovy mit dem Wirkstoff Semaglutid. Die beiden Medikamente werden vom Pharmaunternehmen Novo Nordisk hergestellt. "Der Wirkstoff Semaglutid gehört zur Gruppe der sogenannten GLP-1-Rezeptoragonisten, die dem menschlichen Darmhormon GLP-1 nachempfunden sind. Die Aktivierung des GLP-1-Rezeptors reguliert nahrungsabhängig die Insulinausschüttung und damit den Blutzuckerspiegel, weshalb diese Wirkstoffe auch wirksame Diabetesmedikamente sind", erklärt Florian Kiefer, Leiter der Endokrinologischen Ambulanz am Wiener AKH und Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Endokrinologie und Stoffwechsel. Zusätzlich, fügt er hinzu, käme es zu einer Stimulierung des Sättigungsgefühls in den Appetitzentren des Gehirns, was zu einer geringeren Kalorienaufnahme führen und die Gewichtsreduktion unterstützten würde. "Wegovy enthält denselben Wirkstoff in anderer Dosierung und ist für die Behandlung von Übergewicht und Adipositas zugelassen. Es ist allerdings derzeit in Österreich noch nicht am Markt", ergänzt Kiefer.

Hypes und Trends

Schneller satt zu sein und deshalb weniger Kalorien zuzuführen, klingt wohl verlockender und nicht gar so mühsam wie eine Umstellung der Essensgewohnheiten und Sport. Und wenn es dann noch von einem Multimillionär wie Musk angepriesen wird, ist ein Hype wahrscheinlich. Musk twitterte explizit, dass er mit Wegovy zu seinem schlankeren Aussehen gekommen sei. Bald folgte der Hashtag #Ozempic, der auf Tiktok 274 Millionen Mal generiert wurde.

"Es gab in der Vergangenheit immer wieder Hypes und Trends rund um das ideale Körpergewicht, die durch Celebrities ausgelöst wurden. Durch die sozialen Medien hat dieser Kult sicher eine neue Dimension erreicht, und es ist auch neu, dass nun Persönlichkeiten offen über die Anwendung verschreibungspflichtiger Medikamente sprechen", so Kiefer. Wie so oft, wenn solche Messages über soziale Medien kommuniziert werden, wäre dies ein zweischneidiges Schwert: "Einerseits erfahren viele betroffene Menschen dadurch von diesen neuen Therapiemöglichkeiten, aber anderseits führt dies auch zu mehr Missbrauch, wenn Personen diese Therapeutika anwenden, obwohl sie aus medizinischer Sicht nicht in Frage kommen", führt Kiefer aus. Auch gäbe es in Österreich ein Laienwerbungsverbot für verschreibungspflichtige Medikamente. Dies erachte er für sinnvoll, um die Verbreitung von Falschinformationen hintanzuhalten. Denn: "Diese Therapeutika sind nicht dazu da, bei Normalgewicht und gesundem Stoffwechsel ein Schönheitsideal zu erreichen."

Off-Label-Verwendung

Der Hersteller Novo Nordisk spricht sich auf Nachfrage klar gegen eine Off-Label-Verwendung, also eine andere Anwendung als vorgesehen, von Arzneimitteln aus. Auch verzeichne das Unternehmen eine Nachfrage nach Ozempic, die stärker ist als erwartet. Das führe in wenigen Ländern dazu, dass das Medikament in verschiedenen Dosierungen zeitweilig in begrenzter Anzahl zur Verfügung steht. "Dies gilt jedoch nicht für Österreich, wo wir davon ausgehen, dass wir über eine ausreichende Versorgung verfügen, um die aktuelle Nachfrage zu decken", so die Stellungnahme. Laut Kiefer sei eine medikamentöse Abnehmtherapie aber überhaupt erst in Erwägung zu ziehen, wenn der Body Mass Index mehr als 30 kg/m2 ist, oder ab einem Body Mass Index über 27 kg/m2, wenn gleichzeitig übergewichtassoziierte Begleiterkrankungen wie etwa Bluthochdruck oder erhöhte Blutfette vorliegen.

Florian Kiefer, Leiter der Endokrinologischen Ambulanz am AKH.
© MedUniWien-feelimage

Und dann wären ja auch die Nebenwirkungen zu bedenken: "Bei jedem Arzneimittel können Nebenwirkungen auftreten und es muss vor der Verschreibung von ärztlicher Seite geprüft werden, ob Kontraindikationen, also Gegenanzeigen, vorliegen, weshalb ein Präparat nicht eingesetzt werden darf. Die häufigste Nebenwirkung der Semaglutid-Therapie ist Übelkeit, die vor allem am Beginn der Behandlung auftritt. Bei Menschen ohne Typ-2-Diabetes oder Übergewicht kann ein Einsatz von Semaglutid generell nicht empfohlen werden", so Kiefer.

Nicht gefeit vor Jojo

Außerdem ist man nicht vor einem Jojo-Effekt gefeit: "Aus Studien wissen wir, dass es nach Absetzen einer Semaglutid-Therapie oder ähnlichen Präparaten wieder zu einem Gewichtsanstieg kommen kann." Umso wichtiger ist es, dass diese Präparate nur eingesetzt werden, wenn der Patient die entsprechenden Anwendungskriterien erfüllt. Daher plädiert Kiefer: "Ich empfehle Betroffenen, Rat bei Stoffwechselexpertinnen und -experten zu suchen, die Erfahrung in der Abklärung und Behandlung solcher Erkrankungen haben. Ganz wesentlich für das Gewichtsmanagement ist die Erstellung eines multimodalen Therapiekonzepts, das neben der medikamentösen Therapie auch Lebensstilmaßnahmen wie Ernährungscoachings und Bewegungsprogramme sowie, falls erforderlich, psychologische Unterstützung beinhaltet. Nur so können Folgeerkrankungen erfolgreich verhindert werden."