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Die ältesten Steinwerkzeuge

Von Alexandra Grass

Wissen

Funde in Kenia eröffnen eine neue Sicht auf die innovative Oldowan-Technologie des Schneidens.


An den Ufern des afrikanischen Viktoriasees in Kenia benutzten frühe menschliche Vorfahren vor 2,9 Millionen Jahren einige der ältesten jemals entdeckten Steinwerkzeuge, um Flusspferde zu schlachten und Pflanzenmaterial zu zerkleinern. Die im Fachmagazin "Science" publizierte Studie präsentiert die wahrscheinlich ältesten Beispiele einer äußerst wichtigen steinzeitlichen Innovation, die Forschern als Oldowan-Werkzeugsatz bekannt ist, sowie die ältesten Belege für den Verzehr großer Tiere durch Homininen.

Ausgrabungen an der Nyayanga genannten Stätte auf der Homa-Halbinsel im Westen Kenias brachten zudem ein Paar massiver Backenzähne zum Vorschein, die dem engen evolutionären Verwandten des Menschen, Paranthropus, gehören. Die Zähne sind die ältesten versteinerten Paranthropus-Überreste, die bisher gefunden wurden. Ihr Vorhandensein an einem Ort, der voller Steinwerkzeuge ist, wirft die interessante Frage auf, welcher menschliche Vorfahre diese Werkzeuge hergestellt hat.

Verarbeitung von Fleisch

"Die Forscher sind lange Zeit davon ausgegangen, dass nur die Gattung Homo, zu der der Mensch gehört, in der Lage war, Steinwerkzeuge herzustellen, erklärt der Anthropologe Rick Potts. "Aber der Fund von Paranthropus eröffnet ein faszinierendes Rätselraten." Unabhängig davon, welcher Homininenstamm für die neu entdeckten Werkzeuge verantwortlich war, wurden sie mehr als 800 Meilen entfernt von den bisher bekannten ältesten Beispielen für Oldowan-Steinwerkzeuge gefunden. Bisher galten als 2,6 Millionen Jahre alte Werkzeuge, die in Ledi-Geraru, Äthiopien, ausgegraben wurden, als älteste Exemplare. Nun wird das Gebiet, das mit den frühesten Ursprüngen dieser Technologie in Verbindung gebracht wird, erheblich ausgeweitet. Zudem konnten die Teile aus der Fundstelle in Äthiopien keiner bestimmten Funktion oder Verwendung zugeordnet werden, was zu Spekulationen über die frühesten Verwendungszwecke des Oldowan-Werkzeugsets geführt hatte.

Die Analyse der Abnutzungsmuster der in Kenia entdeckten Steinwerkzeuge und Tierknochen zeigt, dass diese von den frühen menschlichen Vorfahren zur Verarbeitung einer breiten Palette von Materialien und Nahrungsmitteln, einschließlich Pflanzen, Fleisch und sogar Knochenmark, verwendet wurden.

Der Werkzeugsatz der Oldowan umfasst drei Arten: Hammersteine, Kerne und Splitter. Hammersteine dienten dazu, andere Steine zu schlagen, um Werkzeuge herzustellen, oder andere Materialien zu zerkleinern. Kerne haben in der Regel eine eckige oder ovale Form. Wenn man mit einem Hammerstein schräg auf den Kern schlägt, spaltet sich ein Stück oder eine Schuppe ab, die als Schneide- oder Schabkante verwendet oder mit einem Hammerstein weiterbearbeitet werden kann. "Mit diesem Werkzeug kann man besser zertrümmern als der Backenzahn eines Elefanten und besser schneiden als der Eckzahn eines Löwen", erklärt Potts. "Die Oldowan-Technologie war so, als ob man plötzlich ein brandneues Gebiss außerhalb des Körpers entwickelt hätte. Sie eröffnete unseren Vorfahren eine neue Vielfalt an Nahrungsmitteln in der afrikanischen Savanne."

Verbreitung bis nach China

Mit der Zeit verbreitete sich der Werkzeugsatz über ganz Afrika und sogar bis ins heutige Georgien und China. Erst vor 1,7 Millionen Jahren wurde er durch die Handbeile der Acheuléen, einer archäologischen Kultur der Altsteinzeit, sinnvoll ersetzt.

Die Ausgrabungen bieten eine Momentaufnahme jener Welt, in der unsere Vorfahren lebten, und veranschaulichen die Art und Weise, wie die Steintechnologie es diesen frühen Homininen ermöglichte, sich an Umgebungen anzupassen und letztlich die menschliche Spezies hervorzubringen.