Ewing-Sarkome sind sehr aggressive bösartige Tumore, die vor allem bei Kindern und Jugendlichen auftreten. Ein Team um Martin Distel und Sarah Grissenberger von der St. Anna Kinderkrebsforschung hat nun eine Reihe von Wirkstoffen an Zebrafischlarven getestet, denen zuvor Tumorzellen des kindlichen Knochenkrebses eingepflanzt wurden. Bestimmte Wirkstoffkombinationen ließen den Tumor kleiner werden oder sogar verschwinden. Sie zeigen eine "Achillesferse" dieser Krebsart auf.

Das Ewing-Sarkom ist nach wie vor eine der am schwierigsten zu behandelnden Kinderkrebsarten. Der kindliche Knochenkrebs sei genetisch gut charakterisiert, man kenne bereits das zentrale Protein, das in mehr als 85 Prozent der Fälle das Tumorwachstum verursacht. "Aber man weiß immer noch nicht, aus welcher Vorläufer-bzw. Ursprungszelle der Tumor entsteht. Das erschwert das Testen von Medikamenten", so Krebsforscher Distel gegenüber der APA.

Neuartiges Verfahren für Wirkstofftests

Das neuartige Verfahren für besonders schnelle und effiziente Tests von Medikamenten präsentierte die Gruppe im Fachjournal "Cancer Letters". Sie nutzten dabei einen Modellorganismus, der sich schon länger als geeigneter Helfer bei der Erforschung von Erkrankungen darstellt: Der Zebrafisch weist u. a. eine dem Menschen relativ ähnliche genetische Ausstattung auf und ist zudem in frühen Entwicklungsstadien durchsichtig, sodass Phänomene wie das Tumorwachstum und die Wirkung von Substanzen gut zu beobachten sind.

Für ihren Ansatz nutzen die Forscherinnen und Forscher "Xenotransplantation": Sie verpflanzen humane Krebszellen in Zebrafischlarven. Bereits nach 24 Stunden des Anwachsens wurden die verschiedenen Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen dem Wasser der Fische beigefügt. Nach einer zweitägigen Behandlung konnte das Team mittels automatisierter Mikroskopie sowie einer Erkennungssoftware für die Quantifizierung von Tumorgrößen die Wirkung analysieren.

Drei vielversprechende Medikamentenkombinationen

Man fand drei vielversprechende Medikamentenkombinationen - "eine davon hat die Tumorzellen in den Zebrafischlarven sogar komplett abtöten können", berichtete Distel. Die eingesetzten Substanzen reaktivierten dabei jenen Mechanismus, der den Organismus vor falsch funktionierenden Zellen schützen soll: Der "programmierte Zelltod" (Apoptose) war zuvor durch die Tumorzellen bzw. bestimmte Proteine ausgesetzt worden. Zum Verschwinden des Tumors führte dabei eine Wirkstoffkombination, die die Funktion der "anti-apoptotischen Proteine" MCL-1 und BCL-XL hemmte. Sie wurde erstmals in einem lebenden Organismus gegen das Ewing-Sarkom getestet. Bei den zwei weiteren bis heute noch nie getesteten Kombinationstherapien (je ein MCL-1- oder BCL-XL-Hemmstoff mit dem Arzneistoff Irinotecan) zeigte sich "eine deutliche Verkleinerung des Tumors".

Daran anschließende Versuche an Mäusen haben allerdings gezeigt, dass die wirksamste Medikamentenkombination "in der Maus eine gewisse Toxizität zeigt, die sich bei den Fischen so nicht gezeigt hat", so Studienautor Distel. Durch die Nebenwirkungen könne der Wirkstoff nicht in jener Konzentration, die den Tumor komplett verschwinden lässt, eingesetzt werden.

"Wir konnten aber im Mausmodell Konzentrationen ohne Nebenwirkungen erreichen, die das Tumorwachstum verlangsamt haben", sagte der Forscher: "So haben wir eine spezifische Achillesferse des Tumors entdeckt." Nun müsse man versuchen die Medikamente so anzupassen, dass sie effektiv, aber weniger toxisch sind. Es gibt etwa Ideen und erste Ansätze, die für das Tumorwachstum verantwortlichen Proteine sehr zielgerichtet nicht nur zu hemmen, sondern komplett abzubauen, ohne dabei gesunde Zellen zu beschädigen.

Aggressive kindliche Knochen- und Weichteiltumore

Ewing-Sarkome sind bösartige und besonders aggressive kindliche Knochen- und Weichteiltumore. Treten sie lokal auf, liegt die Überlebensrate der Betroffenen nach Ablauf von fünf Jahren bei 70 bis 80 Prozent. "Diese reduziert sich auf 20 bis 30 Prozent, wenn der Krebs bereits Metastasen gebildet hat oder er nach einer Behandlung erneut auftritt." Je früher die Tumore entdeckt würden, desto besser, so Distel, der auch die 2019 eingerichtete Zebrafisch-Plattform Österreich für präklinisches Wirkstoffscreening leitet.

Ein derzeitiger "Goldstandard" bei Wirkstoffanalysen, aber dafür auch viel langwieriger und kostspieliger seien eben die Transplantationen von humanen Zellen in adulte Mäuse, um Wirkstoffe zu testen. In ihren Zebrafisch-Versuchen konnten die Forscherinnen und Forscher aber eine unvergleichlich höhere Zahl an Wirkstoffen in viel mehr Individuen zeitgleich testen: bis zu zwölf Therapien pro Woche.

In lebenden Organismen gut wirkende Medikamente zu finden, wie es das Ziel der aktuellen Studie gewesen sei, "ist ein wichtiger Schritt, um auch klinischen Anwendungen näher zu rücken", so Distel. Eine Anwendung bei Kindern sei aber leider noch in der Ferne. (apa)