Die Körpertemperatur eines Patienten zu überwachen, nimmt im Krankenhaus - nicht gefühlt, aber sehr wohl hochgerechnet - viel Zeit in Anspruch. Zeit, die einer Pflegekraft mehr Arbeitspotenzial erbringt. Möglich macht dies ein intelligenter Fieberthermometer in Pflasterform, der, einmal auf die Haut geklebt, für sieben Tage lang in regelmäßigen Abständen Temperaturwerte erfasst, abspeichert und in Folge auswertet. Er soll auch dem Ärzteteam als Hilfestellung dienen, um eine schnellere Diagnose und Therapieüberwachung zu ermöglichen, erklärt der Biomedizin-Techniker Werner Koele im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Seine Innovation findet bereits in mehreren Kliniken im In- und Ausland Anwendung. Die Technik dahinter ist ausgefeilt.
Vorstellen kann man sich die Technologie wie einen Chip auf der Bankomatkarte. Der kontaktlose Bezahlvorgang an der Kassa geschieht via NFC. Die Abkürzung steht für Nahfeldkommunikation (Near Field Communication) und ermöglicht eine Funkübertragung in kurzer Reichweite. NFC ist "absolut strahlungsfrei. Nur für ganz kurze Zeit wird ein Magnetfeld produziert", erklärt Koele die Technik in seinem Chip. Zudem ist der Übertragungsweg energielos, wodurch die kontinuierliche Temperaturmessung bis zu sieben Tagen gewährleistet werden kann.
Prototyp weiterentwickelt
Für gewöhnlich befindet sich der Chip in einem Tiefschlaf. Zur gewünschten Zeit wacht er wie ein Wecker auf, "misst, speichert und geht wieder schlafen. Er ist Messeinheit, Speichereinheit, Temperatursensor und Kommunikationseinheit in einem." Der Chip ist die Weiterentwicklung eines Prototyps, der bei Infineon Graz entwickelt worden war, wo Koele einen Teil seiner Berufslaufbahn verbracht hat.
Bei dem innovativen System namens SteadyTemp herrsche völlige Privatsphäre, denn die Daten können erst in einem Abstand von fünf Zentimetern ausgelesen werden, betont der Experte, Geschäftsführer des steirischen Unternehmens SteadySense. Einmal in ein Krankenhaussystem integriert, ermöglichen die Werte eine automatische Abgleichung und geben unmittelbar Information über den Gesundheitsstatus eines Patienten.
Wobei es keinen Sinn ergebe, die Sensoren flächendeckend auf allen Stationen einzusetzen. "Wir sagen, überall dort, wo die Temperatur ein Indikator ist", so Koele. Etwa in der Infektiologie, in der Kardiologie, im postoperativen Bereich zur rechtzeitigen Erkennung von Komplikationen oder in der Kinderabteilung. In Österreich und Deutschland sind bereits 25 Krankenhausabteilungen in einen Testlauf eingeschlossen - dort wird geprüft und verifiziert.
Im Mai soll an der Medizinischen Universität Graz eine Studie starten, bei der untersucht wird, in wieweit die Entzündungsparameter mit der Temperaturmessung korrelieren. Ziel ist, eine Vorhersage treffen zu können, um beim Patienten rechtzeitig intervenieren und Folgeerkrankungen vermeiden zu können.
Einsetzbar für Telemedizin
Ein Zukunftsprojekt in Zusammenarbeit mit der WHO ist die Seuchenkontrolle, schildert Koele. "Wir wissen, dass sich nach Naturkatastrophen Seuchen breitmachen können. Etwa Cholera, Typhus, Ebola oder andere Erreger." Mittels Temperaturkontrolle lasse sich "gut von schlecht" trennen und noch bevor Symptome auftreten, könnten Patienten separiert werden. Messungen während der Corona-Pandemie hätten gezeigt, dass die Temperatur steigt, noch bevor ein Covid-Test positiv anschlägt.
Das Potenzial des Systems wird durch Zahlen deutlich. 2021 waren laut Krankenanstaltenstatistik mehr als zwei Millionen Patienten stationär in Akutkrankenanstalten untergebracht. Etwa 50 Prozent sind sogenannte Target-Stationen für den Einsatz des smarten Thermometers. Pro Tag werden im Krankenhaus pro Patient durchschnittlich 1,5 Mal Temperatur- und Blutdruckmessungen vorgenommen.
Durch den Chip komme es zu einer Zeitersparnis von rund 60 Sekunden pro Patient und Tag. Diese Zahlen ergeben sich dadurch, dass die Werte direkt ins Krankenhaussystem eingespielt werden und nicht manuell vom Personal eingepflegt werden müssen. Hochgerechnet auf zwölf Monate werden damit etwa 15.760 Pflegetage eingespart. 4.370 Patienten mehr können versorgt werden. Pro Abteilung kommt es zu einem Mehr von 282 Stunden pro Jahr. Das Gesamteinsparungspotenzial liege bei 3,5 Millionen Euro, berechnete das Unternehmen.
Große Chancen sieht der Biomedizin-Techniker im Bereich der Telemedizin und der Online-Diagnostik. Denn der Patch kann auch zu Hause seine Arbeit verrichten. Mittels App auf dem Smartphone lassen sich die Daten ablesen. Benötigt werden nur noch Lösungen, um die medizinischen Daten sicher zum entsprechenden Ort übertragen zu können. "Solche gibt es schon", betont Koele. Dennoch werde die Umsetzung nicht zuletzt aufgrund bürokratischer Hürden und teilweise mangelnden Willens vermutlich noch auf sich warten lassen.
Sowohl national, aber auch international sind dem Unternehmer zufolge weitere Projekte im Laufen beziehungsweise in Anbahnung - unter anderem in den Ländern Deutschland, Portugal und Kanada.