Blick bis an den Horizont, salzige Gischt, Sonnentupfer, die auf dem Wasser tanzen, und das charakteristisch rhythmische Rauschen, das die Seele beruhigt, zu innerer Stille führen kann und den Körper energetisiert: Faktoren wie diese erzeugen die sprichwörtliche Sehnsucht nach dem Meer. Ein Forschungsteam bestätigt die Erfahrung von Küstenbewohnern, Strand- und Bootsurlaubern: Meeresluft und Meerwasser haben eine heilende Wirkung.

Menschen fühlen sich gesünder, wenn sie in der Nähe des Meeres wohnen oder sich zumindest zeitweise am Meer aufhalten. Das ergab eine Umfrage unter der Leitung von Wiener Umweltpsychologen unter mehr als 15.000 Personen in 15 Ländern. Wie die Forschenden im Fachjournal "Communications Earth & Environment" berichten, zeigt sich diese gesundheitliche Selbsteinschätzung unabhängig von Land und Einkommen.

"Das Meer wäscht alle Übel ab", meinte der griechische Dramatiker Euripides und zog sich zum Schreiben seiner Dramen auf der Insel Salamis in eine Höhle mit schöner Aussicht aufs Meer zurück. Im 17. Jahrhundert begannen dann englische Ärzte, das Baden im Meer und Spaziergänge an der Küste für gesundheitsfördernd zu befinden, und Mitte des 18. Jahrhunderts wurden Kurbaden und Seeluft unter wohlhabenderen Bürgerinnen und Bürgern in Europa allseits als gesundheitsfördernde Maßnahmen beliebt.

Ungleichheiten zwischen Arm und Reich bleiben

Im Rahmen eines EU-Projekts, in dem die Chancen und Risiken von Ozeanen für die menschliche Gesundheit erforscht werden, haben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter um Sandra Geiger von der Arbeitsgruppe Umweltpsychologie an der Universität Wien die über 15.000 Personen in den 14 europäischen Ländern Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Spanien, Großbritannien, Tschechien und Australien zu ihrer Meinung über verschiedene Aktivitäten am Meer und deren Gesundheit befragt.

"Es ist erstaunlich, dass wir in allen 15 Ländern so einheitliche und klare Muster erkennen. Jede und jeder scheint von der Nähe zum Meer zu profitieren, nicht nur die Wohlhabenden", fasste Geiger in einer Aussendung die Ergebnisse zusammen. "Die Häufigkeit der Besuche an der Küste ist unabhängig vom Einkommen positiv mit einem besseren Gesundheitszustand verbunden", schreiben die Wissenschafter in ihrer Arbeit. Wobei Geiger betont, dass Gesundheit von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst und bedingt ist und das Meer "einer dieser vielen Faktoren, aber kein Allheilmittel, darstellt".

Das Meer könne allerdings vorherrschende gesundheitliche Ungleichheiten zwischen hohen und niedrigen Einkommen nicht verringern. "Für politische Entscheidungsträger legen die Ergebnisse nahe, dass der öffentliche Zugang zu Küsten klare Vorteile für die Gesundheit bieten kann", betonen die Studienautoren. Sie sollten jedoch nicht erwarten, dass dies bestehende Ungleichheiten verringere, es sei denn, Maßnahmen richten sich gezielt an einkommensschwache Gruppen.

Geiger betont, dass auch Bewohnerinnen und Bewohner von Binnenländern zumindest zum Teil vom Meer profitieren könnten, etwa wenn sie ihren Urlaub dort verbringen. Sie geht auch von einem ähnlich starken Zusammenhang zwischen Binnengewässern wie Seen und Teichen und einer besseren Gesundheit aus. Um dies zu untermauern, untersucht die Arbeitsgruppe Umweltpsychologie den Zusammenhang von Binnengewässern und Gesundheit derzeit in einer Folgestudie in Österreich.(apa/est)