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"Auffrischung nicht immer nötig"

Von Mathias Ziegler

Wissen

FSME-Impfung oder Bestimmung der Antikörper? | Nicht zuletzt oft eine Kostenfrage. | Wien. Die Zeckensaison ist in vollem Gange, und damit herrscht für die Pharmabranche Hochkonjunktur. Dank Aufrufen via TV, Radio und Plakaten haben sich auch heuer wieder weite Teile der Bevölkerung gegen FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) impfen lassen. Aus ärztlicher Sicht ist das auch richtig und wichtig. Der Impfstoff gilt nämlich in Fachkreisen als so gut wie nebenwirkungsfrei. "Ich impfe jedes Jahr an die hundert Patienten und habe noch nie einen ernsthaften Zwischenfall erlebt", berichtet etwa der Allgemeinmediziner Norbert Jachimovicz. Das Schlimmste sei eine leichte Schwellung nach dem Stechen gewesen.


Auch von der nationalen Arzneimittelagentur Ages PharmMed und deren deutschem Pendant, dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI), werden die derzeit verfügbaren FSME-Impfstoffe als vergleichsweise harmlos bezeichnet. "Auf 100.000 Impfdosen kommen etwa drei Meldungen über Verdachtsfälle auf Impfkomplikationen", so eine PEI-Sprecherin. Eine Auflistung der (deutschen) Verdachtsfälle hat das PEI auch ins Internet gestellt (www.pei.de/db-verdachtsfaelle). Seit 2001 habe es bei FSME keine einzige gesicherte Meldung über schwerwiegende Impfschäden und nur einen Verdachtsfall gegeben. "Wenn ein Patient nach der Impfung einige Tage 38 Grad Fieber hat, ist das nicht schwerwiegend", erläutert die PEI-Sprecherin.

Impfung unbedenklich

Apropos 2001: Das war nämlich das Jahr, in dem der Pharmakonzern Baxter seinen FSME-Impfstoff "TicoVac" zurückziehen musste, nachdem allein in Wien an die 800 Fieberreaktionen bei Kindern nach der Erstimpfung gemeldet worden waren. "Der Hersteller wollte prinzipiell etwas Gutes tun, indem er den Impfstoff reiner machte - weil aber dafür ein Wirkstoff herausgenommen wurde, kam es zu einer überschießenden Wirkung", sagt der Kinderarzt Rudolf Schmitzberger. Man habe aber rasch und gut darauf reagiert, und heutige Impfstoffe seien kaum bedenklich.

Schmitzberger rät auf jeden Fall zur FSME-Impfung: "Österreich hat eine sensationelle Impfungsrate von 88 Prozent. Tschechien beispielsweise hatte im Vorjahr rund 630 FSME-Fälle, hierzulande waren es 87." Die hohe Impfungsrate habe laut einer Studie des Virologie-Instituts zwischen 2000 und 2006 in Österreich hochgerechnet rund 2800 Erkrankungen und 20 Todesfälle verhindert.

Während Säuglinge und Schulkinder laut dem Mediziner eine exzellente Durchimpfungsrate haben, "hapert es bei der Generation 50 plus - dort sind in Zukunft mehr FSME-Fälle zu befürchten, weil die vom Impfplan vorgesehenen Intervalle oft nicht eingehalten werden", so Schmitzberger. Zumal sich die epidemologische Situation gewandelt hat: Zecken kommen mittlerweile auch in Höhenlagen (über 1000 Metern) vor, die früher als ungefährlich galten. Sprich: In Westösterreich müssten sich bisher Ungeimpfte nun auch immunisieren lassen.

Strittige Impfintervalle

Kritiker sehen im österreichischen Impfplan allerdings einen Kniefall vor der Pharmaindustrie, die ihre Produkte unters Volk bringen wolle. "Generell alle fünf Jahre aufzufrischen ist nicht immer sinnvoll", meint etwa ein Insider aus der Pharmabranche. Er selbst ist seit der Grundimmunisierung laut Antikörper-Titer im Blut "vermutlich bis ans Ende meines Lebens geschützt - darüber streite ich seit jeher mit unserer Arbeitsmedizinerin, wenn sie auffrischen will".

Einerseits seien gut fünf Prozent der Bevölkerung auch ohne Impfung immun (etwa nach einer überwundenen stillen FSME-Infektion). Andererseits greife der Impfschutz auch nicht bei jedem hundertprozentig: "Ein Kollege musste seinerzeit siebenmal geimpft werden, bis der Titer passte", so der Pharmamitarbeiter. Die heutigen Impfstoffe seien zwar viel besser als früher, "ganz risikolos sind sie aber sicher nicht".

Auch geimpft aufpassen

Freilich gibt auch Kinderarzt Schmitzberger zu, dass "kein Impfstoff hundertprozentig nebenwirkungsfrei" ist. Im Fall von FSME spreche allerdings die Kosten-/Nutzen-Rechnung "eindeutig für den Impfstoff". Und was die Bestimmung des Titers betrifft, "so würde ich mich darauf auch nicht zu hundert Prozent verlassen". Zumal es ja passieren kann, dass der Bluttest zeigt, dass tatsächlich schon eine Auffrischung nötig ist. Und dann sind nicht nur die 8 bis 10 Euro fürs Labor zu bezahlen, sondern auch die 26 Euro für den Impfstoff (22 Euro für Kinder; die verschiedenen Krankenkassen schießen zwischen 2 und 16 Euro zu, das Impfen selbst ist im Kassenambulatorien gratis, beim Arzt kostet es 13 Euro).

So oder so ist es mit der FSME-Auffrischung allein aber nicht getan. Denn Zecken - sowie alle anderen Blutsauger - können auch Borreliose übertragen. Gegen deren Bakterien gibt es bei uns nach wie vor keine wirksame Präventionsimpfung. "In den USA hat man einen Impfstoff dagegen entwickelt, der ist aber nicht gegen die Erreger in Europa einsetzbar", heißt es seitens des PEI.

Mit Antibiotika ist Borreliose zwar grundsätzlich heilbar, die Früherkennung ist jedoch problematisch: Die typischen roten Flecken treten nicht bei jedem Betroffenen auf. Dazu kommt, dass sich die Erreger nach einer gewissen Zeit in den Organen festsetzen, diese schädigen und dort dann für Antibiotika sehr schwer zu erreichen sind.

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Die Immunisierung gegen FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) erfolgt mittels Totimpfstoff (aus toten Erregern). Nebenwirkungen sind dadurch selten, allerdings lässt der Impfschutz mit der Zeit nach und muss daher aufgefrischt werden. Der Titer im Blut gibt Aufschluss über den Immunisierungsgrad.