Zum Hauptinhalt springen

Bakterien leisten gute Arbeit

Von Alexandra Grass

Wissen
E.Coli-Bakterien sind ein Teil der gesunden Darmflora.
© © Juan Gärtner - Fotolia

Der Mensch beherbergt zehn Mal so viele Mikroben wie Zellen. | Je nach Gewicht besitzt man unterschiedliche Bakteriengruppen.


Wien. Seit der Zeit von Robert Koch und Louis Pasteur wird das Verhältnis Mensch und Mikrobe immer wieder als Kampf beschrieben. Ist von Bakterien die Rede, denkt man sofort an Krankheit und Antibiotikum. Doch immer öfter stellen Forscher fest, dass der Großteil der im menschlichen Körper hausenden Bakterien nicht schadet - ja sogar lebensnotwendige Unterstützung bietet.

Und sie sind in der Überzahl: Während der Mensch aus etwa zehn Billionen Zellen besteht, finden sich in ihm etwa zehn Mal so viele Bakterien - ihr Gewicht macht bis zu zwei Kilogramm aus. Sie besiedeln etwa die Haut, ernähren sich dort von Hautschuppen sowie Mineralstoffen und Lipiden, die aus den Poren abgeschieden werden, und bilden eine Art Schutzschicht gegen krank machende Keime. Sogar in der Lunge sind erst in jüngster Zeit Bakterien entdeckt worden.

99 Prozent aller im menschlichen Körper lebenden Mikroben sind freilich im Darm beheimatet und bilden dort mit mindestens 500 - manche Forscher sprechen von bis zu 3000 - verschiedenen Bakterienarten: die verdauungsfördernde Darmflora. Man spricht vom Mikrobiom - die Gesamtheit aller den Menschen besiedelnden Mikroorganismen -, dessen Hauptsitz der Dickdarm ist, erklärt der Gastroenterologe Harald Vogelsang von der Wiener Med-Uni-Klinik für Innere Medizin.

Der Darm hat ganze Arbeit zu leisten. Viele mit der Nahrung aufgenommene Kohlenhydrate können ohne Bakterien nicht verdaut werden. Sie wandeln die Stoffe in Fettsäuren um, die der Mensch verwerten kann. Die Darmbewohner fördern den Aufbau der Darmschleimhaut, bilden Vitamine, schützen vor aggressiven Schadstoffen, sie verhindern, dass sich Viren, Bakterien oder Pilze in der Schleimhaut einnisten, und versorgen die Immunzellen mit Informationen, um Erreger gezielt bekämpfen zu können.

Neue Studien zeigen auf, dass sich das Mikrobiom von Adipösen - also stark Übergewichtigen - und Normalgewichtigen unterscheidet. Der US-Biologe Jeffrey Gordon von der Washington University in St. Louis hat festgestellt, dass übergewichtige Menschen mehr Bakterien des Stamms der Firmicutes beherbergen als Schlanke. Diese Mikroben sind dafür bekannt, Kohlenhydrate effektiver zu spalten als andere Bakterien. Das macht sie zu besonders guten Futterverwertern. Die Nahrung wird besser verdaut, mehr Energie wird zur Verfügung gestellt, was zu einer Gewichtszunahme führt.

Die neuen Erkenntnisse lassen an mögliche künftige Therapien denken. Zwar sind die Wechselwirkungen der Mikroben untereinander noch kaum verstanden, dennoch sehen viele Forscher ein großes Potenzial in Pro- und Präbiotika, lebenden Bakterienkulturen oder Substanzen, die gezielt bestimmte Darmbakterien zum Wachstum anregen.

Es besteht nun die Hoffnung auf Erfolge bei der Behandlung von Übergewicht. Aber auch bei Patienten mit Morbus Crohn, einer Autoimmunerkrankung der Darmschleimhaut, gebe es Ansätze, mit Probiotika das Mikrobiom so zu verändern, dass eine Besserung erreicht werden könnte, meint Vogelsang. Bei der sogenannten Colitis ulcerosa, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, werden schon jetzt erfolgreich Bakterien - nämlich der E.Coli-Stamm Nissle - eingesetzt, um Entzündungen zu reduzieren.

Der erste Kontakt

Die ersten schützenden Mikroben - nämlich Laktobazillen - besiedeln während der Geburt durch den natürlichen Geburtskanal den Menschen. Im Mutterleib ist das Baby noch keimfrei. Mit der Ernährung stoßen dann weitere Bakterien hinzu. Je schneller und nachhaltiger sie sich in Balance befinden, desto rascher kommt die eigenständige Immunabwehr der Babys in Gang. Wie intensiv der Kontakt mit Bakterien in den ersten fünf Lebensjahren ausfällt, kann sich auf die künftige Krankengeschichte auswirken, erklärt Vogelsang. So würden Stadtkinder in einem keimreduzierten Umfeld später eher zu Morbus Crohn tendieren als jene, die vermehrt mit Mikroben aufwachsen. Eine gewisse Exposition könne sich damit günstig auswirken.