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Was dem einen stinkt, das duftet für den anderen

Von Eva Stanzl

Wissen
Den Duft der Blume genießen - doch was passiert im Gehirn?
© © © Karin Dreyer/Blend Images/Cor

Selbst zwei gute Nasen riechen nicht das Gleiche. | Die Wahrnehmung von Gerüchen ist eng mit der Verarbeitung von Emotionen verknüpft.


Wien. 20 Prozent unserer Umwelt erfassen wir mit dem Geruchssinn. Doch selbst zwei gute Nasen riechen nicht das Gleiche. "Allein Kaffee hat rund 300 geruchsaktive Substanzen. Der Mensch besitzt jedoch nur 400 Geruchsrezeptoren in der Nase. Das hat zur Folge, dass vielleicht zehn Kaffee-Geruchssubstanzen in der Nase von einer Person andocken und weitere zehn in der Nase von einer anderen", sagt Veronika Schöpf von der Abteilung für Neuroradiologie der Medizinuni Wien. Somit werden jeweils verschiedene Moleküle mit jeweils anderem Aktionspotenzial aktiv.

Im Jahr 2004 erhielten die US-Neurophysiologen Linda Buck und Richard Axel für die Erforschung des Riechsystems den Medizin-Nobelpreis. Seitdem gewinnt die Forschung Einblicke, wie die Sinneswahrnehmung von Gerüchen und deren Umwandlung in Nervenimpulse funktionieren, was schließlich zu Gefühlsantworten im Gehirn führt.

Häufigste Ursache: Schnupfen

Schöpf und ihr Team befassen sich mit dem Verlust des Geruchssinns. Bis zu fünf Prozent der Bevölkerung leiden an einem totalen und 15 Prozent unter einem teilweisen Verlust der Geruchswahrnehmung. Dennoch ist wenig über die Auswirkungen dieses Ausfalls auf höhere neuronale Prozesse im Gehirn bekannt. Dabei kann eine solche "funktionale Anosmie" buchstäblich jederzeit eintreten. Die häufigste Ursache ist, wenn nach einem Schnupfen der Geruchssinn einfach nicht wieder zurückkommt. Weitere Auslöser können psychisch bedingt sein.

Doch anders als bei der anatomischen Anosmie - etwa wenn im Zuge eines Unfalls die Geruchsnerven durchtrennt werden - könnte der funktionale Verlust der Geruchswahrnehmung heilbar sein. In einem Projekt des Wissenschaftsfonds und der Medizinuni erforschen Schöpf und ihr Team, wie Betroffene durch spezielles Training Teile der Geruchswahrnehmung wiedererlangen können.

Wie das Training wirkt, ist derzeit noch genauso wenig bekannt wie die neuronale Verarbeitung von chemosensorischen Informationen bei Betroffenen. Ein Wiedererlangen der Geruchswahrnehmung könnte den Wissenschaftern aber eine Möglichkeit bieten zu erfahren, wie sich Anosmie auf neuronale Vorgänge auswirkt. Das Training re-animiert jene Bereiche des Gehirns, die das Olfaktorische zuständig sind. "Wir legen den Probanden Riechstifte vor, an denen sie intensiv schnüffeln müssen. Der Schnüffel-Mechanismus stimuliert die entsprechenden Areale", sagt Schöpf. Mit Hilfe von Magnetresonanztomografie wird dargestellt, ob sich das Riechtraining auf die Aktivität von Gehirnregionen wie den olfaktorischen Kortex auswirkt. Ein Vergleich der Aktivitäten vor und nach dem Training soll Auskunft liefern, ob andere Gehirnstrukturen zur Kompensation des Geruchsverlustes aktiviert werden. Einen Kompensationsmechanismus könnte etwa der Trigeminus - der wichtigste Nerv für die olfaktorische Wahrnehmung - übernehmen.

Rose, Banane, Zitrone

Beim Training kommen hohe Konzentrationen von Gerüchen zum Einsatz, die als angenehm empfunden werden, wie Rose, Banane, Kaffee oder Zitrone. Gewürznelke wird ausgeklammert, da sie manche Menschen an Zahnarzt-Besuche erinnert: "Wir wollen keine Traumata wecken", sagt die Forscherin.

Die Vorsicht darf nicht wundern. Schließlich ist der hochentwickelte Geruchssinn eng mit den Emotionen gekoppelt. Sein Verlust führt oftmals zu schlechter Ernährung, Depressionen oder Einsamkeit. "Ein Teil des Geruchszentrums liegt in der Nähe des limbischen Systems mit der Amygdala, in der Emotionen verarbeitet werden", so Schöpf. Was auch erkläre, warum wir uns umdrehen nach jemandem, der den Duft eines Ex-Partners trägt, oder warum wir bestimmte Personen "nicht riechen" können und andere, die immunologisch zu uns passen, sehr wohl.