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Taschner, Rudolf: Gerechtigkeit siegt - aber nur im Film

Von Hellmut Butterweck

Wissen

Rudolf Taschner findet Gerechtigkeit, wenn überhaupt, nur im Himmel.


Der Wissenschafter des Jahres 2004, der Mann, der Österreich die Mathematik lieben lehrt, Rudolf Taschner, schrieb ein Buch über Gerechtigkeit. Die Erwartung war groß. Wie würde er es anlegen? Was würde er dem zerredeten Begriff abgewinnen? Seine Antwort auf die alte Frage nach der Gerechtigkeit lautet, sie sei zwar "ein der scharfen Definition unzugänglicher, ein opaker Begriff". Dieser lasse sich aber so einkreisen, dass es möglich sei, "ohne Umschweife klipp und klar" auszusprechen: "Es gibt sie nicht auf Erden: die Gerechtigkeit." Es gebe nur die Sehnsucht nach ihr.

Nachdem er dieses Ergebnis in einem Prolog vorweggenommen hat, macht er sich unter verschiedenen Gesichtspunkten auf die Suche nach der Gerechtigkeit.

Die angewendete Methode stellt das avisierte Ergebnis sicher. Sie besteht darin, mit zahlreichen historischen, literarischen, anekdotischen Abschweifungen Gerechtigkeit überall dort zu suchen, wo sicher keine zu finden ist. Und daneben ein Panorama der Ungerechtigkeiten auszubreiten, von den Massakern in Ruanda bis zur unvollständigen Abbildung des Wählerwillens in den Wahlresultaten. Dass er der Gerechtigkeit als politisch und historisch wirkungsmächtigem Leitbild statt als konkretem Zustand nicht nachgeht, entspricht diesem Konzept.

Am Ende wird der desillusionierte Leser aber wieder aufgerichtet. Es gebe sie doch, die Gerechtigkeit. Und zwar als Instanz im Gewissen jedes Einzelnen. Es ist der innere Richter über sein Handeln. Sollte er aber seinerseits Gerechtigkeit einfordern, bleibt er mit leeren Händen im Regen stehen.

Friedrich Hayeks Gerechtigkeitsbegriff

Damit wird das dem Buch vorangestellte Motto "Gerechtigkeit: ein Wieselwort" von Friedrich Hayek verständlich. Hayek erhob die Marktwirtschaft zur einzigen, jeder sozialen oder politischen Verbindlichkeit enthobenen Regelungsinstanz. Taschner reduziert Gerechtigkeit auf eine ebenfalls jeder gesellschaftlichen Verbindlichkeit entkleidete Privatsache. Als Trost lässt er dem Leser nur die Hoffnung "auf eine letzte, eine absolute, eine nicht mehr irdische Gerechtigkeit".

Doch "auch hierbei ist man nicht vor Überraschungen gefeit." Dieser Satz bleibt kryptisch. Da das Nichts nach dem Tod eben keine Überraschung bereithielte, kann er, aussagenlogisch betrachtet, wohl nur den Verdacht ausdrücken, es werde vielleicht nicht einmal beim Jüngsten Gericht gerecht zugehen. Der Weltenrichter - ein Neoliberaler?

Rudolf Taschner: Gerechtigkeit siegt - aber nur im Film. Ecowin Verlag, 226 Seiten, 21,90 Euro.