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Typisch Mensch

Von Roland Knauer

Wissen
Affen wie diese Kapuzineraffen vertilgen das von ihnen gefundene Futter am liebsten selber.
© © © Ocean/Corbis

Forscher fanden heraus, was Affen und Menschenkinder deutlich unterscheidet.


Berlin. "Drück’ doch mal dort den Knopf!" oder "Möchtest Du auch einen Apfel?" Genau solche Aufforderungen scheinen den Menschen von allen anderen Lebewesen auf der Erde zu unterscheiden. Das schließen Lewis Dean von der Universität im schottischen Saint Andrews und seine Kollegen in der Zeitschrift "Science" aus einem Experiment, in dem Menschenkinder, Schimpansen und Kapuzineraffen das gleiche, knifflige Problem lösten.

In den letzten Jahren hatten Zoologen eine ganze Reihe von Eigenschaften und Verhaltensweisen, die vorher nur bei Menschen bekannt waren und daher für unsere Art als typisch galten, auch bei völlig unterschiedlichen Tierarten entdeckt. Schimpansen hantieren in Afrika mit Werkzeugen, um sich eine leckere Termitenmahlzeit aus dem betonharten Hügel der Insekten zu stochern. In Japan genießen Affen Dampfbäder, und etliche Ameisenarten entpuppten sich als clevere Landwirte. In England lernten Blaumeisen, den Verschluss der frühmorgens vor die Haustür gelieferten Milchflaschen zu knacken, verschafften sich so selbst ein nahrhaftes Frühstück und gaben den Trick auch an Artgenossen weiter, bis sich eine richtige Tradition gebildet hatte.

Solche und viele weitere Verhaltensweisen erfordern einige geistige Voraussetzungen. Da Menschen besonders viele Eigenschaften mit den eng verwandten Schimpansen teilen, drängte sich bald die Frage auf: Wieso begnügen sich Affen mit einem Leben im Kronendach des Regenwaldes, während Menschen eine komplexe Kultur entwickeln, die Meisterwerke der Kunst genauso hervorbringt wie Weltraumfahrzeuge, die Astronauten auf dem Mond absetzen und wieder zurückholen? Was unterscheidet eigentlich die Menschheit von all den anderen Arten, die ebenfalls Traditionen bilden und weitergeben?

Wissen und Essen teilen

Michael Tomasello vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig kam dazu nach vielen Versuchen mit Menschen und Affen ein dringender Verdacht: "Menschen kombinieren mehrere für sie typische Verhaltensweisen, um zu ihrer komplexen Kultur zu kommen." Eine besondere Rolle spielt seiner Ansicht nach dabei der Drang, erworbenes Wissen auch anderen mitzuteilen, und die Bereitschaft, erworbene Leckereien mit seinen Kumpeln zu teilen. Erst im August 2011 zeigten Michael Tomasello und seine Leipziger Mitarbeiterin Katharina Hamann, dass Menschen viel häufiger mit anderen ihre Schätze teilten, wenn sie vorher mit diesen zusammengearbeitet hatten. Schimpansen dagegen war eine vorherige Kooperation völlig egal, sie teilen ihre Errungenschaften eigentlich nie besonders gern mit anderen.

Lewis Dean und seine Kollegen erhärteten jetzt mit einem aufwendigen Experiment den Verdacht von Tomasello weiter. Die Forscher bastelten einen Kasten, an dem Menschen und Affen gleichermaßen drei unterschiedlich schwierige Aufgaben lösen konnten, um an eine Belohnung heranzukommen. Beim einfachsten Problem mussten die Teilnehmer ein Türchen im Versuchskasten zur Seite schieben. Dabei öffnete sich eine Kammer mit einer kleinen Belohnung für den Erfolgreichen. An allen Experimenten durften sich ein- oder zweijährige Kapuzineraffen, jugendliche oder erwachsene Schimpansen sowie Menschenkinder im Alter von drei oder vier Jahren versuchen. Die Affen erhielten für die Lösung des einfachsten Problems eine Karotte als Belohnung, die Kinder eine kleine Plakette.

Für die nächsthöhere Belohnung musste die Tür ein wenig weiter geschoben werden. Das ging aber nur, wenn ein Knopf gedrückt wurde, der sich an einer ganz anderen Stelle des Kastens befand. Lösten die Affen dieses schwierigere Problem, erhielten sie einen Apfel, der in der Leckerei-Hierarchie deutlich über Karotten rangiert. Erfolgreiche Menschenkinder wurden dagegen mit einer größeren und attraktiveren Plakette belohnt. Die wurde noch größer und schöner, wenn die Kids auch die dritte Schwierigkeitsstufe meisterten. Die Affen erhielten dafür Weintrauben, die bei ihnen als edelste Früchte gelten. Um an dieses Goodie zu kommen, mussten die Probanden aber ihre Finger durch ein blau oder rot markiertes Loch stecken und dort einen Knopf drehen. Erst dann öffnete sich die Tür ganz und gab auch die Trauben oder die wertvollsten Plaketten frei.

Menschenkinder kooperieren

Diese Stufe aber erreichte nach 30 Stunden gerade ein einziger von 33 Schimpansen. Von den Kapuzineraffen war auch nach 53 Stunden noch keiner erfolgreich. Bei den Menschenkindern hatten dagegen bereits nach zweieinhalb Stunden etliche das höchste Niveau erreicht. Die Forscher aber hatten die Versuchstiere und -kinder während der Experimente genau beobachtet. Dabei stellten sie deutliche Unterschiede fest, die wohl für den Erfolg oder Misserfolg verantwortlich waren.

Am Versuchskasten gab es Türchen und Knöpfe gleich im Doppelpack, daher konnten jeweils zwei Teilnehmer sich gleichzeitig an der Apparatur versuchen. Einer auf der rechten, der andere auf der linken Seite. Während die Menschenkinder aber ihre Nachbarn oft über eigene Erfolge unterrichteten und sie dann aufforderten "Probier’ doch mal, den Knopf hinter dem blauen Loch zu drehen", gaben die Affen keinen einzigen solchen Hinweis.

Immerhin die Hälfte der Menschenkinder schenkte eine ihrer mühsam erworbenen Plaketten anderen, während alle Affen ihre Früchte selber vertilgten. Demnach könnten Lehre und soziales Verhalten der Schlüssel für die Entwicklung der menschlichen Zivilisationen und einer der grundlegenden Unterschiede zwischen Menschen und Tieren sein. Wer zum Mond will, sollte das beherzigen, andernfalls bleibt seine Gruppe eben im Regenwald.