Wien. Jeder dritte Mensch erkrankt mindestens einmal in seinem Leben an einer psychischen Störung oder ist von seelischen Problemen betroffen. Die Bereitschaft, dabei psychiatrische Hilfe zu suchen, steigt. Wiens Krankenhäuser sehen einen Zuwachs an Patienten, die aufgrund von Erkrankungen wie Depression, Schizophrenie oder Burnout ärztlichen Rat suchen. Und: "Da es in manchen Gemeindebezirken relativ zum Bevölkerungswachstum mittlerweile zu wenige Betten gibt, steigt die Zahl der Kurzaufnahmen in den Stationen mit ambulanter Nachbehandlung", sagt Peter Fischer, Vorstand der Psychiatrischen Abteilung des Sozialmedizinischen Zentrums Ost im Wiener Donauspital, zur "Wiener Zeitung".

Die höhere Lebenserwartung bringt eine Zunahme der altersbedingten Depression. - © Hill Street Studios/Blend Images/Corbis
Die höhere Lebenserwartung bringt eine Zunahme der altersbedingten Depression. - © Hill Street Studios/Blend Images/Corbis

"2008 haben wir 850 Patienten in der Psychiatrie stationär aufgenommen. 2011 waren es schon 1050", betont Fischer, der morgen Mittwoch beim vierten, vom Wiener Krankenanstaltenverband in Leben gerufenen "Tag der Seelischen Gesundheit" im Wiener Rathaus referieren wird. Die Veranstaltung bietet Interessierten die Möglichkeit, sich über Symptome, Krankheitsbilder und Behandlungsmöglichkeiten zu informieren.

Da seelische Erkrankungen gesellschaftlich zunehmend ent-stigmatisiert werden, suchen laut Fischer auch immer Menschen mit leichteren Symptomen, wie Antriebs- und Freudlosigkeit oder anhaltende Vergesslichkeit, psychiatrische Ambulanzen auf in der Hoffnung auf stringente Diagnosen. Somit habe nicht die reale Zahl derer zugenommen, die Depression oder Burnout erleiden, sondern die Zahl derer, die zum Arzt gehen. "Burnout ist eine Vorstufe zur Depression, die leichter zu behandeln ist und von Stress, zumeist am Arbeitsplatz, ausgelöst wird. Die Menschen kommen früher, weil die Medien über das Phänomen berichten. Oftmals kann Burnout aber schon durch Veränderungen im persönlichen Leben gelindert werden", sagt Fischer.

Stabil sei seit rund zehn Jahren die Zahl der Fälle von Essstörungen ebenso wie die Anzahl derer, die an Schizophrenie erkranken - der medizinische Fortschritten trägt dazu bei.

Als "alarmierend" bezeichnet der Wiener Psychiater hingegen die real steigende Statistik bei altersbedingten psychischen Erkrankungen. Er geht davon aus, dass aufgrund des höheren Lebensalters die Zahl der Alzheimer-Patienten alle zehn Jahre um drei bis vier Prozent steigen wird, was die Zahl der Fälle in Österreich von derzeit 120.000 auf 200.000 im Jahr 2050 anheben würde. Eine schwere Demenz, die meist erst ab dem 80. Lebensjahr auftritt, erleidet jeder vierte bis fünfte Alzheimer-Patient. Sollte die Hirnforschung keine Wirkstoffe finden, die diese Prozesse verlangsamen, könnten auf das Gesundheitssystem bald viele zusätzliche Milliarden an Kosten zukommen.