Mehr Altersdepressionen; Alkohol macht Angst


Die höhere Lebenserwartung hat auch zur Folge, dass bei immer mehr Menschen Altersdepressionen diagnostiziert werden. Unter den ab 75-Jährigen leiden 16 Prozent, unter den über 80-Jährigen 33 Prozent daran. "In diesem Alter sterben Freunde und Lebenspartner. Soziale Kontakte, die erwiesenermaßen vor Depression schützen, dünnen sich aus. Die Menschen sehen zum Zeitvertreib immer mehr fern - eine passive Berieselung, die nicht eben hilft", betont der Psychiater.

Mediziner sehen auch einen immer stärkeren Zusammenhang zwischen Alkoholismus und psychischer Krankheit. Zwar blieb die Zahl der Alkoholkranken zumindest in der Bundeshauptstadt in den letzten Jahren nahezu gleich. Dennoch: "Jede dritte bis vierte Aufnahme in der Psychiatrie hat direkt etwas mit Alkohol zu tun, die Wechselwirkungen sind vielfältig", sagt Fischer. So hätten viele Schizophrenie-Patienten auch Alkoholprobleme, sie trinken, um ihre Störungen zu beruhigen. Auch ein Drittel der Patienten mit Angststörungen trinke regelmäßig. Dabei vertreibt der Alkohol die Angst keineswegs - sondern er verstärkt sie.

US-Wissenschafter um Thomas Kash von der University of North Carolina berichten, dass Alkohol Angst erzeugt. Chronischer Alkoholkonsum verstärkt demnach Angststörungen und posttraumatische Belastungsstörungen. Durch regelmäßiges Trinken würden Schaltkreise im Gehirn beeinträchtigt, die traumatische Ereignisse verarbeiten, berichten die Forscher im Fachmagazin "Nature Neuroscience".

Ein neuerer Ansatz in Psychiatrie und Psychotherapie ist die Erforschung der Resilienz, die sich nicht am Krankheitsbild, sondern an der psychischen Widerstandsfähigkeit von Individuen orientiert und sich somit der seelischen Gesundheit zuwendet. Die Forscher hinterfragen dabei, warum eine Person trotz mehrerer Schicksalsschläge ein erfülltes Leben leben kann, und eine andere nicht. "Natürlich hängt das auch vom gesellschaftlichen Umfeld, der sozialen Kompetenz oder den persönlichen und finanziellen Möglichkeiten ab", sagt Fischer: "Dennoch haben manche einen starken Willen und neigen dazu, nicht aufzugeben, und andere schon." Vielleicht ist also, wer sich zum Arzt begibt, tatsächlich bereits zur Hälfte geheilt.