Buli-Rot, Tambora-Gelb, Marco-Polo-Blau - wenn Willy Puchner Farben benennt, dann bekommen selbst deren Namen ein Eigenleben. Es ist ein sehr philosophischer Zugang, den der 60-jährige Mistelbacher zum Thema Farben hat. Insbesondere, wenn er auf Reisen geht, entweder als Zeichner oder als Fotograf ("Beides gleichzeitig geht nicht, allein schon wegen der Ausrüstung", sagt er). Da kommen dann beeindruckende Blätter dabei heraus, auf denen er zum Beispiel "Die Farben Japans" oder "Die Farben Indiens" festgehalten hat. Denn jedes Land hat in Puchners Augen seine ganz eigenen Farben. Oder besser gesagt: seinen ganz eigenen Sinn für Farben. Wobei er grundsätzlich meint: "Wir Europäer sind insbesondere bei der Mode farblich eher langweilig. Asien, Südamerika und Afrika sind da viel bunter, dort ist der Mut zur Farbe größer."

Fast genauso wichtig wie die Farben auf seinen Arbeitsblättern, die oft bis zur Fertigstellung Wochen oder sogar Monate in Anspruch nehmen, sind die Texte, die sie begleiten. Bei Puchner ist das Konzept der Illustration zum Teil nämlich umgekehrt: Oft ist zuerst das Bild, und die Worte, die er damit assoziiert, kommen erst im Nachhinein dazu. "Wobei die ganz kurzen, prägnanten Sätze die schwierigsten sind. Da dauert es oft sehr lange, bis dann plötzlich ein passender auftaucht, wie ein Funke. Manchmal auch mitten unter einer Motorradfahrt. Da bleibe ich dann gach stehen und sprech mir selber auf den Anrufbeantworter daheim, das ist die beste Art der Aufzeichnung."
Zusammengefasst findet man Puchners Bild-Text-Kompositionen dann zum Beispiel in Büchern wie "Willy Puchners Welt der Farben", aber auch regelmäßig als "Willy Puchners Farbenlehre" in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Und für Nachschub wird beständig gesorgt. Denn einen großen Teil seiner Zeit verbringt Puchner fern der Heimat. "Das Allerwichtigste bei jeder Art von Arbeit, die mit Reisen zu tun hat, ist es, dass man unterwegs ist, um authentisch zu sein. Man kann nicht nur aus der Fantasie allein speisen." Und so begibt er sich regelmäßig in fremde Länder, an fremde Orte - "und dann gehe ich einfach einmal, eigne mir die neue Umgebung langsam an." Denn in der Ruhe und Langsamkeit liegt für ihn die Kreativität. "Vier-Tage-Städteflüge sind mir deshalb viel zu kurz, wenn ich wo hinfahre, dann für mindestens zwei Wochen." Denn je länger er schaut, desto mehr sieht er. Und fasst seine Empfindungen nicht nur in Bilder, sondern auch in Briefe, "an denen ich dann jeweils bis zu drei Stunden schreibe." Eine Sammlung solcher postalischer Kunstwerke soll demnächst als Buch erscheinen. "Das wird dann ins Land des Wassers führen, ins Land der Verkleidungen, der Fantasie" - es sind also nicht nur reale Orte, die Puchner besucht.
Tablet immer dabei
Immer auf seinen Reisen mit dabei ist schon seit geraumer Zeit sein Tablet. "Ich habe diesen kleinen Helfer mittlerweile liebgewonnen. Aber ein adäquater Ersatz für Stifte und Papier könnte er nicht sein." Papier erlaube mehr Experimente, und abgesehen vom haptischen Empfinden sei auch die Ästhetik eine andere, meint Puchner. Trotzdem hat er, der auf traditionelle Art und Weise Farben aufs Papier bringt, gerne auch mit dem Finger, sich schon mit diversen Apps angefreundet, "da gibt es einige schöne zum Thema Farben." Wenn auch mit Einschränkungen: "Apps befriedigen oberflächlich ein schnelles Bedürfnis, aber der langsame Prozess ist besser, um sich die Welt und ihre Farben anzueignen."
Eine zweischneidige Sache sieht er auch in der digitalen Fotografie: "Natürlich ist es toll, dass man gleich zig Fotos auf einmal machen und sich dann das beste raussuchen kann - aber genau darin liegt auch das Problem: Wie lerne ich löschen? Vor allem, wenn die Leute aus einem einzigen Urlaub tausende Bilder mitbringen." Man muss also Entscheidungen treffen, aber nicht nur bei Fotos, sondern auch beim Zeichnen "Man hat ein Blatt vor sich liegen, und dieser Raum muss genutzt werden. Da ist die große Frage: Was gibt man hinein? Und was fällt dabei weg?" Für die "Farben des Regens" zum Beispiel hat er 14 Monate und etliche Versuche gebraucht, bis das endgültig geklärt war.
Auch die Vorbereitung will ordentlich durchgeführt sein: "Welches Papier nehme ich? Womit will ich zeichnen?" Allein der Kritzelbedarf auf Reisen kann da schon einmal vier bis sechs Gepäckstücke füllen.
Und es dauert auch deswegen so lange, weil Puchner großen Wert auf kleine Details legt: "Ich verstecke immer etwas in meinen Bildern, Details, die lehrreich sind, aber nie belehrend. Oder etwas mit Augenzwinkern." So findet sich zum Beispiel auf einem Albumblatt eine Menschenschlange, an deren Spitze einer rennt und ruft: "Endlich einmal bin ich der Erste!" Nur um am Ziel von einem Bonobo empfangen zu werden, der dort längst auf ihn wartet.