"Wiener Zeitung":

Josef Penninger: "Algen und Hefe werden neue Treibstoffe erzeugen können." - © Wiener Zeitung
Josef Penninger: "Algen und Hefe werden neue Treibstoffe erzeugen können." - © Wiener Zeitung
Sie sind 2003 nach mehrjähriger Tätigkeit im Ausland nach Österreich zurückgekehrt. Würden Sie das unter den heutigen Bedingungen wieder tun?

Josef Penninger: Als ich zurückgekommen bin, war eine Aufbruchsstimmung in Österreich. Neue Akademie-Institute sind entstanden, frisches Geld ist in die Forschung geflossen, und meine Kollegen in Deutschland haben sich alle beklagt. Jetzt hat sich das leider umgekehrt. Meine Kollegen sind glücklich dort, es gibt neue Exzellenz-Initiativen in Deutschland und eine gute Finanzierung. Österreich seine Chance leider vertan. Zurzeit bin ich nicht glücklich über das, was hier passiert. Zwar sind die ersten Zeilen der Regierungserklärung der Forschung gewidmet als essenziellem Thema für die Zukunft des Landes, aber die Taten, die gesetzt wurden, entsprechen dem nicht. Ich will die Wissenschaft vorantreiben, muss aber die meiste Zeit mit Administration und politischen Dingen verbringen.

Wieweit ist das von Ihnen geleitete Imba (Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) von den Sparmaßnahmen der Akademie betroffen?

Budgetär gesehen sind wir das größte Institut der Akademie. Vor eineinhalb Jahren hatte ich ein fantastisches Angebot, wegzugehen: Die saßen schon bei mir im Wohnzimmer, um zu unterschreiben - Haus am Meer, 70 Millionen Dollar Budget, einer der schönsten Plätze der Welt. Aber da das natürlich mein Baby ist, sagte ich mir: Babys legt man nicht einfach weg. Ich entschloss mich, unter bestimmten Bedingungen zu bleiben, wie etwa dass unser Budget vernünftig erhöht wird und auf fünf Jahre dotiert wird, was passiert ist.

Ich dachte, fantastisch, jetzt haben wir fünf Jahre Ruhe, können neue Talente holen. Hätte ich gewusst, was dann passiert, würde ich jetzt sicher nicht hier sitzen. Das Budget der Akademie wurde eingefroren, mit dem ganzen Spiel, das dazugehörte: Ein paar Institute kriegen mehr, andere nicht. Ein Grund, warum sich die Akademie so aufgeregt hat, war auch, weil man uns sagte, dass wir in schweren Zeiten damit leben müssen, dass unser Budget eingefroren wird, und wir dann in der Zeitung lesen mussten, dass es kein Problem war, für ein anderes Institut (das IST Austria, Anm.), 1,4 Milliarden aufzustellen.

Wo sehen Sie den Unterschied zwischen dem benachbarten Institut für Molekulare Pathologie (IMP) und dem Imba? Spielt es eine Rolle, dass Ihr Institut zur Akademie gehört und das IMP von einem Unternehmen gestützt wird?

Absolut. Der Grund, warum es den Campus Vienna Biocenter überhaupt gibt, ist, dass Boehringer Ingelheim wirklich weitsichtig war und auch jetzt noch sehr viel Geld in das IMP steckt. Meine Realitäten sind anders, aber gemeinsam sind wir unter einem Dach und agieren gemeinsam, damit kriegen wir eine kritische Masse.

Auf welche an Ihrem Institut gewonnenen Erkenntnisse der letzten drei Jahre sind Sie besonders stolz?

Erstens bin ich stolz, dass wir eine fantastische Truppe von Forschern aufgebaut haben. Wir brauchen uns vor keinem Institut der Welt zu verstecken, wir gehören zu den Besten in Europa. Julius Brennecke etwa hat ein Genom-internes Immunsystem entdeckt, basierend auf einer ganz neuen Welt von RNA-Biologie, oder Jürgen Knoblich, unser Spezialist für Stammzellforschung, ist Mitentdecker der asymmetrischen Zellteilung in Stammzellen.

Ich selbst arbeite seit langer Zeit an dem Protein Rankl (Anm.: Abkürzung für: "Receptor Activator of NF-KB Ligand"), das eine Schlüsselrolle bei Knochenschwund spielt. Das Protein sagt der Stammzelle: Du wirst jetzt eine Knochenfresszelle - und gibt es zu viele Knochenfresszellen, entsteht Osteoporose. Wir haben entdeckt, wie dieses Prinzip funktioniert. Daraus ist ein Medikament entstanden, mit dem man Knochenschwund behandeln kann.

Wir haben uns dann die Frage gestellt, warum Frauen 10 oder 15 Jahre früher als Männer Osteoporose bekommen, ob Sexualhormone den Knochenschwund kontrollieren. Warum ist die Evolution unfair zu 50 Prozent der Bevölkerung? Wir haben in der Folge entdeckt, dass das Knochenschwund-Gen Rankl eine zweite Funktion hat: Wenn Säugetiere schwanger werden, dann schalten die Sexhormone Rankl in der Brust an - ohne dieses Protein gibt es keine Muttermilch. Weiters holt es das Calcium aus den Knochen der Mutter, um damit die Knochen der Babys mit Calcium anzureichern. Das Knochenschwund-Gen Rankl ist also der Missing Link, wie Sexhormone Brustkrebs auslösen. Somit haben wir eine ganz neue Idee für Brustkrebs-Prävention - mit dem Medikament, das für Osteoporose bereits auf dem Markt ist.

Sie sprechen im November bei den Wiener Vorlesungen zum Thema "Die neue Biologie des Lebens". Was ist darunter zu verstehen?

Genetik ist das Fundament jeden Lebens auf diesem Planeten und somit jeder Biologie. Jedes Virus verwendet die gleichen vier genetischen Buchstaben, jedes Bakterium und auch wir. Heute gibt es neue Technologien der Gensequenzierung: Wofür vor 20 Jahren ein Student drei Jahre brauchte, macht jetzt eine Maschine in einer Sekunde. Doch was tun Gene überhaupt? Welches Gen ist dafür verantwortlich, dass Brustkrebs entsteht? Welches dafür, dass eine Maus ausschaut wie eine Maus? Welche Gene kontrollieren normale Physiologie, Morphogenese und Erkrankungen?