Wien. Jeder Mensch trifft rund 20.000 größere oder kleinere Entscheidungen täglich - was er am Morgen anzieht, ob er sein Frühstücksbrot mit Butter oder Marmelade bestreicht, mit dem Bus oder dem Auto zur Arbeit fährt, einer neuen Liebesromanze eine Chance gibt oder beschließt, den Beruf zu wechseln. Doch wie entscheidet das Gehirn?

Einer US-Studie zufolge bedient sich unser Denkorgan bei der Beschlussfindung zwei separater Netzwerke: Das eine wägt Belohnung gegen Risiko ab, um den Wert der möglichen Resultate abzuschätzen, das andere steuert das Verhalten entsprechend. "Kognitive Kontrolle und wertorientierte Entscheidungsfindung werden offenbar von unterschiedlichen Regionen im präfrontalen Kortex gesteuert", berichtet Studienleiter Jan Glascher vom California Institute of Technology in Pasadena in den "Proceedings of the National Academy of Sciences".

In diesem Sinn liefert das wertorientierte Netzwerk laufend Informationen darüber, was eine Sache bringt und ob sie dem Vorhaben entspricht - etwa bei Lebensmitteln im Supermarkt, die auf der Einkaufsliste stehen. Es liefert aber auch Infos über Ablenkungen, wie zum Beispiel Spielzeug-Sonderangebote. Der Bereich für kognitive Kontrolle hält das Netzwerk im Zaum. "Um mit dem, was auf der Liste steht, auch an der Kassa anzukommen, muss man sein Ziel vor Augen behalten", beschreiben es die Forscher.

Der Mixer in der Großhirnrinde


Der präfrontale Cortex ist ein Teil des Frontallappens der Großhirnrinde. "Bei der Entscheidungsfindung agiert dieser Bereich wie eine Art Mixer", erklärt Thomas Klausberger, Vorstand des Instituts für Kognitive Neurobiologie der Medizin-Universität Wien: "Das Gehirn erfasst alles. Emotionen speichert es in der Amygdala; was mit der Ratio zu tun hat, wird im Neocortex im Hippocampus gespeichert. Das Entscheidungszentrum im präfrontalen Cortex aber wägt Gefühle, Ratio, Erinnerungen, Gesetzmäßigkeiten und Erfahrungen gegeneinander ab und verknüpft sie." Die beiden Netzwerke bewerten so lange und wägen ab, bis ein Beschluss da ist - und wir am Schluss nicht mehr genau sagen können, ob wir eine gefühls- oder rational gesteuerte Entscheidung getroffen haben.

"95 Prozent unserer Entscheidungen fällen wir instinktiv, ohne viel darüber nachzudenken", unterstreicht Simon White, Planungschef für Europa bei der Londoner Werbeagentur Draft FCB. Er leitet auch das Institute of Decision Making, einen unternehmensinternen Think Tank zur Erforschung von Kaufentscheidungen. "Bewusstes rationales Denken spielt bei Kaufentscheidungen nicht die Hauptrolle. Eine derartige Entscheidung gibt es nicht ohne Gefühl", betonte White nun bei einem Symposion der Strategie Austria mit dem Titel "The Trouble of Decision Making".