London. "Herzinfarkt & Co.", chronische Lungenkrankheiten (COPD), Diabetes und Krebs bedrohen die Entwicklung der Menschheit. Die weltweiten Kosten dürften sich von 6,3 Billionen US-Dollar (4,71 Billionen Euro) im Jahr 2010 auf 13 Billionen US-Dollar (9,72 Billionen Euro) im Jahr 2030 erhöhen. Einfache Maßnahmen wie das Zurückdrängen des Tabak- und Alkoholkonsums, Reduzierung von Salz in der Ernährung, Vermeidung von Übergewicht und Bereitstellung wirksamer und kostengünstiger Behandlungsmöglichkeiten könnten Abhilfe bringen, stellen jetzt Experten in einer Serie von Beiträgen in der britischen Medizin-Fachzeitschrift "The Lancet" fest.
Die Situation hat sich gewandelt: Den größten Teil ihrer Geschichte war die Menschheit am meisten durch Infektionskrankheiten bedroht. Jetzt sind weltweit die nicht übertragbaren Krankheiten auf dem Vormarsch - am stärksten in den Entwicklungs- und Schwellenländern, die das massenhafte Auftreten von chronischen Krankheiten wirtschaftlich am wenigsten verkraften können: durch den Ausfall der Betroffenen für Wirtschaft und Gesellschaft und durch die Gesundheitskosten.
Gesundheit ist essenziell für die Menschen
"Laut den jüngsten Schätzungen starben im Jahr 2010 weltweit 34,5 Millionen Menschen an nicht übertragbaren Krankheiten, das machte 65 Prozent der insgesamt 52,8 Millionen Todesfälle aus. Im Jahr 2030 könnten die nicht übertragbaren Krankheiten mehr als 50 Millionen Todesfälle fordern", heißt es in einer Zusammenfassung.
George Alleyne von der Pan American Health Organisation (Washington/USA) über die Auswirkungen dieser drohenden Entwicklung: "Gesundheit ist essenziell für die Menschen, um zu einer nachhaltigen Entwicklung, zu Produktivität und zu wirtschaftlichem Wachstum beizutragen und sich auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel einzustellen." Das sei bedroht.
Weniger Zigaretten, ausgewogener Essen
Ruth Bonita von der Universität von Auckland in Neuseeland und ihre Co-Autoren betonen im "Lancet" die wichtigsten Maßnahmen: Zurückdrängen des Tabakkonsums, Reduzierung der Salzaufnahme mit der Ernährung (Bluthochdruck) auf Länderebene und die Bereitstellung entsprechender günstiger Behandlungsmöglichkeiten für Herzkranke und Schlaganfallpatienten bzw. Risikopersonen. Das würde demnach nicht mehr als ein bis zwei US-Dollar (ca. 0,75 bis 1,50 Euro pro Einwohner, Anm.) pro Einwohner und Jahr kosten. Eine Verringerung des Salzkonsums um generell 15 Prozent über zehn Jahre hinweg würde durch das Verhüten von Bluthochdruck in 23 Staaten, auf die 80 Prozent der Belastung durch nicht infektiöse Krankheiten entfallen, 8,5 Millionen Todesfälle verhindern.
"Multinationale Nahrungs-, Getränke- und Alkoholkonzerne nutzen ähnliche Strategien wie die Tabakindustrie, um die öffentliche Gesundheit zu unterminieren und sollten Regeln unterworfen werden", lautet der Titel einer der Zusammenfassungen von "Lancet". Durch den Verkauf und aggressive Marketingmaßnahmen von Tabak, Alkohol und Fertigmahlzeiten und -Getränken würden diese Wirtschaftszweige zu treibenden Faktoren der Entwicklung werden.
Wirksame und leistbare Medikamente
Um die Problematik der nicht ansteckenden Krankheiten speziell in den Entwicklungs- und Schwellenländern in den Griff zu bekommen, müssten auch die notwendigen Mittel dazu bereitgestellt werden: zum Beispiel bewährte, wirksame Medikamente auf der Basis von Generika.
Hans Hogerzeil von der Universität in Groningen betont, dass generisches Insulin in Ländern mit niedrigem und mittlerem Bruttoinlandsprodukt fünf bis acht Mal billiger sein könnte als derzeit für die neuesten Originalprodukte bezahlt wird. Kombinationspräparate für Menschen mit Herz-Kreislauf-Risiko (Blutdruckmittel-, Anti-Cholesterin- und Blut verdünnende Substanzen in einer "Polypill" könnten für Kosten von einem Dollar (ca. 0,75 Euro) pro Einwohner und Jahr 18 Millionen Todesfälle innerhalb von zehn Jahren in den ärmsten Staaten verhindern helfen.