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Sprache im Mutterleib

Von Alexandra Grass

Wissen
Frühchen nehmen mehr wahr als angenommen.
© corbis

Langsame Gewichtszunahme bei Säuglingen wenig Grund zur Sorge.


Wien. Ob Laute wie "ba" oder "ga", männliche oder weibliche Stimmen - schon mit 24 Wochen können Babys sprachliche Unterschiede erkennen. Das als unreif geltende Gehirn kann damit weit mehr, als bisher bekannt war.

Die dieser Erkenntnis zugrunde liegende Untersuchung französischer Wissenschafter zeigt, dass angeborene Faktoren in der Verarbeitung von Sprache scheinbar eine größere Rolle spielen als die Auseinandersetzung mit der Umwelt, schreiben die Studienautoren um Mahdi Mahmoudzadeh von der Universite de Picardie Jules Vernes in Amiens. Dennoch seien für das Erlernen der Muttersprache und das Feintuning äußere Einflüsse entscheidend, fügen die Forscher hinzu.

Bei Babys, die zwischen der 28. und 32. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen, liegen die Nervenzellen im Gehirn noch nicht an ihrem endgültigen Bestimmungsort und auch die Verknüpfung der Hirnzellen ist noch nicht abgeschlossen. Bei zwölf Frühchen haben die Forscher aber nun die Gehirnaktivität gemessen, wenn sie verschiedene Silben und Stimmen zu hören bekamen. Dabei reagierte das rechte Frontalhirn sowohl auf die unterschiedlichen Laute als auch auf die verschiedenen Stimmen. Das linke reagierte vermutlich aufgrund der Tatsache, dass es sich erst einige Wochen später entwickelt, nur auf die Lautverschiebung, schreiben die Wissenschafter in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften. Bisher war nur bekannt gewesen, dass Babys Geräusche - etwa die Tonlage oder den Rhythmus der Stimme der Mutter - schon im Uterus erkennen. Diese Fähigkeit ermöglicht es dann auch den Neugeborenen, sich von ihrer Mutter besänftigen zu lassen. Dass schon die Frühchen aber auch einzelne Silben erkennen können, könnte darauf hindeuten, dass sie weiter entwickelt sind als angenommen.

Alles aufgeholt

Auch andere Fortschritte haben Forscher bei den Frühchen ausgemacht. Vor allem sind sie länger auffallend zarter und kleiner als ihre gleichaltrigen Spielkameraden. Der Vergleich mit der Maßtabelle beim Kinderarzt beunruhigt so manche Eltern. Oft werden zusätzlich Kalorien zugeführt, um die Entwicklung der Kinder voranzutreiben.

Einer britischen Studie von Forschern der University of Bristol zufolge scheint ein solches Zufüttern aber nicht zwingend notwendig zu sein. Wie sie an rund 11.500 Kindern beobachten konnten, holen jene Babys, die in den ersten acht Wochen ihres Lebens langsamer wuchsen, bis zum zweiten Lebensjahr alles auf. Auch Neugeborene, die sich bis zum neunten Lebensmonat schwer taten, befanden sich spätestens im Alter von 13 Jahren im Bereich der Norm. Nichtsdestotrotz empfehlen die Wissenschafter ein regelmäßiges Screening, um die Entwicklung der Kinder zu überblicken.