Das ÖGS-Team (Mitte und rechts) stellt dem "Wiener Journal" das Anschauungsmaterial vor. - © Moritz Ziegler
Das ÖGS-Team (Mitte und rechts) stellt dem "Wiener Journal" das Anschauungsmaterial vor. - © Moritz Ziegler

"Bitte werft nicht mit den Samenzellen herum" – spätestens bei dieser Aufforderung wird klar: Dieser Schultag in der Volksschule Leobendorf ist keiner wie all die anderen. In der Pause wirft ein Mädchen einem anderen einen blauen, mit Mehl gefüllten Luftballon zu – eine Samenzelle. Heute stehen für die vierten Klassen der Volksschule unweit der Burg Kreuzenstein bei Korneuburg, Niederösterreich, fünf Stunden Sexualunterricht am Stundenplan – doch die Kinder werden ihre Nasen keine Minute davon in Biologiebücher stecken.

Die Pausenglocke läutet die dritte Stunde ein, 17 Mädchen nehmen wieder auf bunten, glänzenden Decken Platz. In der Mitte ihres Sitzkreises befinden sich die – in Form von Tüchern aufgelegten – weiblichen Geschlechtsorgane: Die wie eine auf den Kopf gestellte Birne geformte Gebärmutter, oberhalb davon die zwei Eileiter, ein dunkelviolettes Tuch symbolisiert die Vagina. Dazwischen liegen saure und süße Naschereien, ein Ball glitzert in Gold. Spielerisch sollen die 9- bis 10-Jährigen erfahren, was sich im weiblichen Körper abspielt.

"Die große Zyklusshow"

In der "großen Zyklusshow" schlüpfen die Mädchen in die Rolle der weiblichen Hormone, als "Östrogenfreundinnen" rollen sie große Schaumgummi-Würfel und schicken die – eben noch durchs Klassenzimmer geworfenen – Samenzellen in die beiden Eileiter. Ob der Eisprung im linken oder rechten Eileiter stattfindet, entscheidet der Würfel. Der Name "Zyklusshow" ist keineswegs zu hoch gegriffen: Das Ganze wird als Event inszeniert, und kurz bevor die Kinder erfahren, ob die von ihnen ausgesandten Samenzellen überleben werden, ist kein Atemzug zu hören – keine will, dass "ihre" Samenzelle stirbt. "Es soll nicht nur ums Gewinnen gehen", erklärt Projektleiterin Brigitte Schrottmayer den Mädchen: Sie alle seien doppelte Gewinner-innen, da sie es als eine von einer halben Milliarde Samenzellen bis in das obere Drittel des Eileiters geschafft haben, auf eine von 400.000 auserwählte Eizellen getroffen sind und damit ihr Leben entstanden ist.

Schrottmayer ist Mitbegründerin der Österreichischen Gesellschaft für Sexualpädagogik & Jugendbildung (ÖGS), sie und ihr Team führen jährlich über 150 Workshops in ganz Österreich durch. Der Verein bietet seit 2000 sexualpädagogische Projekte im schulischen und außerschulischen Bereich an, das "Mädchen Frauen Meine Tage" (MFM)-Projekt für 9- bis 13-Jährige ist eines davon.