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Am Anfang war das Feuer

Von Brigitte Suchan

Wissen

Nun weiß der Mensch schon seit geraumer Zeit, dass der Wechsel der Jahreszeiten nichts mit brennenden Holzstapeln, Feuergeistern oder sonstigem Zauber zu tun hat. Faszinierend ist so ein hell loderndes Feuer dennoch.


Zivilisation ohne Feuer ist nicht vorstellbar. Feuer macht aus kalten, dunklen Höhlen einen Ort der Zuflucht, ermöglicht das Kochen von Nahrung. Rund ums Feuer, so sind manche Forscher überzeugt, entsteht ein erstes Gemeinschaftsgefühl.

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© Corbis

Der holländische Soziologe Johan Goudsblom schildert in seinem Buch "Fire and Civilisation" warum die Kontrolle über das Feuer die erste Transformation in der Geschichte der Menschheit nach sich zog. Der prähistorische Mensch war nun kein Räuber mehr, die Kontrolle über das Feuer ermöglichte ihm nicht nur Tierhaltung und die Rodung von Land, sondern auch Kulturtechniken wie Backen, Töpfern und Schmelzen, die gemeinhin als die pyrotechnischen Kulturen bezeichnet werden.

Worüber Archäologen und Kulturhistoriker nach wie vor uneins sind, oder es zumindest kollegial diskutieren, ist die Tatsache, dass niemand so genau weiß, wann der Mensch damit begann, das Feuer zu kontrollieren. Der Laie hat seit dem Film "Am Anfang war das Feuer" (La guerre du feu), den der französische Regisseur Jean-Jacques Annaud 1981 nach der Romanvorlage von J.-H. Rosny aîné drehte, eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie das war mit dem Feuer damals in der Steinzeit. Der Film schildert die Erlebnisse einer kleinen Gruppe Neandertaler, denen das Feuer ausgeht. Drei junge Jäger werden losgeschickt, um jemanden aufzutreiben, der des Feuermachens kundig ist. Ika, ein Homo sapiens, zeigt den neuen Kameraden die Technik des Feuerbohrens, sowie weitere Fertigkeiten. Schließlich entdecken Ika und Naoh das Gefühl der Liebe zueinander und bringen die Menschheit damit ein gehöriges Stück weiter.

Tatsächlich lassen sich viele, durchaus logische Schlussfolgerungen verschiedener Wissenschafter nicht beweisen, weil es keine Fundstücke gibt, die die verschiedenen Thesen belegen könnten. Dabei spielt es aus wissenschaftlicher Sicht keine Rolle, ob solche gar nicht existieren, oder ob sie einfach noch nicht gefunden wurden. In den letzten Jahren wurden teilweise mehr als 1 Million Jahre alte Feuerstellenbefunde aus der Wonderwerk-Höhle in Südafrika als von Menschen angelegt interpretiert. Eine archäologisch recht sichere Feuerstelle mit verbrannten menschlichen Nahrungsresten ist Gesher Benot Ya’aqov im Norden Israels, die etwa 790.000 Jahre alt ist.

Der Wissenschaftsjournalist Peter Watson ist in seinem Buch "Ideen. Eine Kulturgeschichte von der Entdeckung des Feuers bis zur Moderne" äußerst skeptisch, was so frühe Befunde betrifft. Er geht in seinen Betrachtungen davon aus, dass der Homo erectus vermutlich eine halbe Million Jahre brauchte, um das Feuer zu beherrschen, und unterscheidet außerdem zwischen dem Bewahren von natürlich auftretendem Feuer und dem Entfachen von Feuer.

Feuer bot zugleich Wärme, Licht und Schutz. In seinem spannend geschriebenen Buch "Feuer fangen" zeigt der Anthropologe Richard Wrangham, dass der Wechsel von Rohkost zu gekochtem Essen der Schlüssel zum evolutionären Erfolg des Menschen war. Als unsere Vorfahren lernten, mithilfe des Feuers zu kochen, begann die Geschichte der Menschheit, so seine These, und diese Fähigkeit beförderte auch das Zusammenleben sowie die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern. Peter Watson hingegen nimmt an, dass der beim Kochen entstehende Rauch möglicherweise schon früh zur Kommunikation eingesetzt worden sein könnte.

Die Bedeutung des Feuers spiegelt sich in zahlreichen Mythen wider und die Sprachwurzel des neuhochdeutschen Wortes Feuer lässt sich bis zum uralten Indogermanischen "pehwr" zurückverfolgen. Zum Vergleich: altgriechisch "pyr", armenisch "hur", hethitisch "pahhur", gotisch "fon "und umbrisch "pir".

Das Feuer steht in beinahe allen Religionen für eine Form des Göttlichen. Jenen, die die Fähigkeit besaßen, das kostbare und schwer fassliche Feuer zu bewahren, kam vermutlich innerhalb einer Gemeinschaft eine besondere Stellung zu, vermutet Peter Watson. Man denke nur an die Vestalinnen, jene Priesterinnen, denen in der Antike die Aufgabe übertragen wurde, das Herdfeuer im Tempel der Vesta zu hüten und es niemals erlöschen zu lassen.

Nicht zuletzt zeigt auch die Sprache welche Bedeutung wir dem Feuer zumessen: Feuer ist wie glühender Ascheregen oder wohltuende Wärme, wie ein zündender Funke, eine Flammenspur oder ein Flächenbrand, heiße Leidenschaft, lodernde Gefühle und knisternde Erotik.

Da nimmt es wenig wunder, dass ein brennender Holzstoß auch auf nüchterne Gemüter des 21. Jahrhunderts noch mystisch wirkt.

Erschienen im "Wiener Journal" am 29. März 2013