In Deutschland und Polen ist die Situation zwar weniger dramatisch. Insgesamt lebten im April 2013 in Deutschland 18 Wolfsrudel sowie vier Paare ohne Nachwuchs. Im Westen Polens sind es ähnlich viele Gruppen. Aber auch diesen Tieren droht ein genetischer Flaschenhals, wenn die Zuwanderer ausbleiben.

Die nächste große Population lebt vom Osten Polens bis in die Weiten Russlands. Dazwischen liegt die intensive Landwirtschaft in der dicht besiedelten Mitte Polens. Auch dort fallen den Wölfen ihre Wanderungen schwer. Obendrein legen vermutlich Jäger illegal häufig auf Wölfe an, viele Raubtiere sterben auch beim Überqueren von Straßen. "Wir versuchen, die Wander-Korridore der Wölfe zwischen dem Osten und dem Westen Polens zu erhalten und schrittweise zu verbessern", erklärt Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer der Naturschutz-Organisation Euronatur. "Gemeinsam mit unseren polnischen Partnern haben wir eine ganze Reihe von Wildbrücken über Straßen und Autobahnen durchgesetzt." Genau solche Brücken haben den Wölfen auf der Isle Royale gefehlt.

Entwarnung für Jäger und Bevölkerung


In Mitteleuropa erfreuen sich unterdessen die Naturschützer und Biologen vorerst über die Wiederansiedlung und geben Entwarnung für die Bevölkerung. Angst müssen weder Ausflügler noch Einheimische in der Nähe der Wolfsreviere haben. Seit 1973 hat es in Europa keinen Unfall gegeben, bei dem ein Mensch durch einen gesunden Wolf zu Tode kam. Jedoch gab es in den letzten 50 Jahren fünf Todesfälle durch Wölfe mit Tollwut, die inzwischen jedoch in Mitteleuropa ausgerottet wurde. "Das gefährlichste Tier im Wald ist also keineswegs der Wolf, sondern eher die Zecke, die zwei schwere Infektionen übertragen kann", rückt Felix Knauer die Zusammenhänge zurecht.

Und auch die Jäger müssen nichts fürchten. Das Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz hat seit 2001 mehr als 4000 Kotproben von Wölfen hinsichtlich ihrer Ernährung ausgewertet. Bis Jänner 2012 machten demnach Rehe 52,6 Prozent der Beute aus, Rothirsche 21,3 Prozent und Wildschweine 18,3 Prozent, der Rest bestand aus wenigen Damhirschen und Mufflons sowie kleineren Tieren. In der Lausitz im Osten Deutschlands scheinen die Raubtiere demnach gerade einmal zwei Stück Schalenwild in einem 100 Hektar großen Gebiet zu erwischen. "Auf der gleichen Fläche aber schießen Jäger das Vier- bis Zehnfache an Hirschen, Rehen und Wildschweinen", erklärt der deutsche Wildbiologe Ulrich Wotschikowsky.

Einer Rückkehr der einst vertriebenen Großtiere, die zu Europa genauso gehören wie Tiger zu Indien und Löwen, Elefanten und Nashörner zu Afrika, steht also abgesehen von Wilderern wenig im Wege - vorerst zumindest.