
Wien. Krebspatienten stehen immer wieder vor schwerwiegenden Entscheidungen. Nicht nur, dass den Betroffenen bei der Erstdiagnose der Boden unter den Füßen wegbricht, stellt sich dann auch die Frage, welchem Arzt man sein Leben anvertraut. Einige sehen sich auch vor einer Richtungsentscheidung: Schulmedizin oder doch alternative Behandlungsmethoden? Wiewohl manchmal von Einzelfällen zu lesen ist, die mit dem zweiten Weg eine Heilung ihrer Erkrankung erreichen konnten, sind das doch Ausnahmen. Dass es kein Entweder-oder, sondern nur ein Hand-in-Hand geben darf, ist der einhellige Tenor der Komplementärmediziner.
Eben darum auch der Begriff komplementär und nicht alternativ - also ergänzend statt anstelle. Die Behandlungsergebnisse der klassischen Onkologie werden immer besser und die Überlebenschancen steigen, betont Rainer Stange, leitender Arzt an der Hochschulambulanz für Naturheilkunde der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Doch mit komplementärmedizinischen Therapien wie etwa der Mistel-, Enzym- oder Selentherapie, der Hyperthermie, Traditioneller Chinesischer Medizin oder auch der Homöopathie steht eine zweite Säule zur Verfügung, um Nebenwirkungen von Chemo- und Strahlentherapie gering zu halten, aber auch deren Wirkung zu intensivieren.
Bei der Misteltherapie hemmt der unter die Haut gespritzte Pflanzenextrakt das Tumorwachstum, schützt gesunde Zellen und steigert die Abwehrkräfte. Einen großen Stellenwert räumt Stange der Hyperthermie ein. Der Wiener Spezialist und Mediziner Ralf Kleef erklärt: "Die Therapie macht den Krebs weicher - die Chemo kann besser angreifen und die immunkompetenten Zellen besser infiltrieren." Die Körpertemperatur wird dabei erhöht, um die Tumorzellen zu zerstören. Durch eine gesteigerte Durchblutung könnten die verabreichten Zytostatika besser in den Tumor gelangen. Das Spurenelement Selen wiederum soll gesunde Zellen schützen und Krebszellen verwundbar machen. Es wird auch hierzulande schon häufig in Begleitung zur Strahlentherapie eingesetzt. Für bestimmte Therapien übernimmt auch so manche Krankenkasse die Kosten.
Aufgrund der Tatsache, dass es durch die Therapierfolge auch zu immer mehr chronisch kranken Krebspatienten kommt, die in fortgeschrittenem Stadium ihrer Erkrankung noch Jahre am Leben bleiben, steigt die Zahl der Betroffenen mit Langzeit- und Spätfolgen. Therapiebedingte Folgeerkrankungen sind das Müdigkeitssyndrom (Fatigue), Nervenschädigungen (Polyneuropathien), Schlafstörungen, Depressionen oder Konzentrationsstörungen. Daher sei es gut, dass sich die Forschung immer mehr auf die Langzeitlebensqualität richtet und die Komplementärmedizin einen großen Beitrag leisten kann, betont Stange.