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Trojaner als Krebswaffe im Einsatz

Von Alexandra Grass

Wissen
Das Chemotherapeutikum DM1 (gelb) dockt gekoppelt an den Antikörper Trastuzumab (violett) an HER2 (blau) an, schleust sich in die Krebszelle ein und tötet diese von innen ab.
© Roche

Österreichweites kostenloses Screening-Programm startet im Jänner 2014.


Wien. Ab Jänner 2014 bekommt in Österreich jede Frau zwischen 45 und 69 Jahren mittels persönlicher Einladung die Möglichkeit, in Zwei-Jahresabständen an einem kostenlosen Brustkrebs-Screeningprogramm teilzunehmen. Die Experten hoffen auf eine Beteiligung in den nächsten Jahren von bis 70 Prozent.

Mit einer Mammografie lässt sich Brustkrebs bekannterweise schon in einem sehr frühen Stadium erkennen und damit aussichtsreich behandeln. Die Diagnose Mammakarzinom in fortgeschrittenem Stadium soll damit vermieden werden, was die Therapie im Ernstfall erleichtert.

Das Trojanische Pferd

Trotzdem sind viele Frauen von einem Leben mit metastasiertem Krebs betroffen. Für einen Teil von ihnen - nämlich jene mit einem sogenannten HER-2-positiven Karzinom - steht seit kurzem eine neuartige Therapie zur Verfügung. Ein wie in einem Trojanischen Pferd in die kranke Zelle eingeschleustes Chemotherapeutikum entfacht erst am Ort des Geschehens - nämlich in der Brustkrebszelle - seine zelltötende Wirkung.

Die Rede ist von einem sogenannten Antikörper-Wirkstoff-Konjugat namens Trastuzumab-Emtansine (T-DM1). Dabei wird der Antikörper mit dem hochwirksamen Chemotherapeutikum DM1 kombiniert. Während Zytostatika meist unspezifisch alle sich teilenden Zellen zerstören, richten sich Antikörper zielgerichtet gegen bestimmte Zellen oder Strukturen. In Kombination sind sie wie Trojaner unterwegs. Trastuzumab blockiert den auf den Krebszellen sitzenden Wachstumsfaktor HER2 und hemmt dadurch das Tumorwachstum. DM1 gelangt in das Zellinnere und zerstört nur jene Krebszellen, an die der Antikörper angedockt ist.

Für jede fünfte tumorbetroffene Frau stellt das eine neue Aussicht dar. Günther Steger, Mammakarzinom-Programmchef an der Wiener Uniklinik für Innere Medizin I, berichtete am Donnerstag von einer Erkrankten, die trotz immer wieder auftretender Rückfälle schon elf Jahre lang behandelt werden konnte - in den letzten drei Jahren mittels T-DM1 mit komplettem Verschwinden des Brustkrebsleidens.

In den vergangenen 15 bis 20 Jahren hat die Sterblichkeit bei Brustkrebs um 30 Prozent abgenommen. Der im Einsatz befindliche monoklonale Antikörper hat in den letzten Jahren zu einer Revolution geführt. Statt ehemals meist sechs bis acht Monate ist die durchschnittliche Überlebenszeit auf um die vier Jahre angestiegen, erklärte Steger. "In einem Vergleich mit einer Behandlung mit dem Chemotherapeutikum Capecitabine und Lapatinib erhöhte sich dadurch der Zeitraum bis zum Fortschreiten der Erkrankung von 6,4 auf 9,6 Monate." Die Überlebensrate betrug unter der neuen Trojaner-Therapie nach einem Jahr 85,2 Prozent (Vergleichsgruppe: 78,4), nach zwei Jahren 64,7 Prozent (51,8). Auch ist die Therapie mit T-DM1 mit wesentlich weniger Nebenwirkungen verbunden, da die gesunden Zellen verschont bleiben, berichtete Christian Singer von der Wiener Unifrauenklinik.

Europaweit im Spitzenfeld

Im Europavergleich haben Österreichs Krebspatientinnen überdurchschnittlich hohe Überlebenschancen, wie eine Studie in "The Lancet" zeigt. Insgesamt sind die Fünf-Jahres-Überlebensraten bei Hodenkrebs mit 90,4 Prozent (EU-Schnitt: 83,4) am größten. Frauen mit Brustkrebs haben eine Rate von 82,1 Prozent (81,8). Dickdarmkrebspatienten überleben zu 61,2 Prozent zumindest fünf Jahre gegenüber 57 Prozent im europäischen Schnitt.

Sowohl die hochwertigen Therapien als auch die Früherkennung ermöglichen diese Zahlen. Trotzdem gibt es auch Kritik an Programmen wie jenem, das 2014 startet. Manche Experten gehen bei einer solchen engmaschigen Kontrolle von etwa zehn Prozent falsch positiven Befunden aus, was für die betroffenen Frauen eine massive psychische Belastung darstellt. Andere wiederum befürchten, dass wiederholte Mammografien im späteren Alter erst recht Brustkrebs hervorrufen.

63.000 Frauen pro Monat

Tatsache ist, dass in Österreich jährlich rund 5000 Frauen an Brustkrebs erkranken und 1600 Patientinnen sterben. Die Früherkennung soll solche Erkrankungen im heilbaren und nicht metastasierten Stadium aufdecken und damit einerseits die Überlebensrate erhöhen und andererseits die nötigen Therapiemaßnahmen so gering wie möglich halten. "Wir schaffen neue Chancen im Gesundheitssystem", sagte Gesundheitsminister Alois Stöger.

Ab Jänner werden alle zwei Jahre insgesamt 1,5 Millionen Frauen Einladungen zur Mammografie erhalten. Mit dieser können sie sich direkt an eine der 190 zertifizierten radiologischen Praxen wenden. Damit sollen Frauen zur Untersuchung gebracht werden, die diese bisher nicht in Anspruch genommen haben. Dabei handelt es sich um ein "sehr fortschrittliches und qualitativ hochwertiges Programm", erklärte Franz Frühwald, Bundesfachgruppenobmann der Radiologen.

Die Screening-Mammografie wird nur mit digitalen Geräten erfolgen und nach dem Vier-Augen-Befundprinzip durch zwei Fachärzte ausgewertet. Frauen zwischen 40 und 44 sowie 70 und 74 können auf Wunsch eine Einladung zum Programm anfordern. Ab 7. Jänner werden monatlich 63.000 Frauen angeschrieben.